Donnerstag, 17. September 2015

Drei Regeln für den Schwarm-auch für die Flüchtigsschwärme zutreffend?

http://www.ferchau.de/news/details/drei-regelnhttps://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f7/Pimephales_promelas2.jpg/250px-Pimephales_promelas2.jpg-fuer-den-schwarm-967/

Drei Regeln für den Schwarm

Die Biologie definiert das Schwarmverhalten von Tieren als Zusammenschluss von Individuen, die sich in der Gruppe zum Beispiel besser vor möglichen Fressfeinden schützen können. Auch in der Welt der Robotik organisieren sich die kleinen Automaten im Schwarm, um etwa den Buchstaben 'G' zu formieren. Im Gespräch schwärmt Frau Prof. Dr. sc. nat. Verena V. Hafner, Juniorprofessorin für Kognitive Robotik am Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin, von fliegenden Robotern für die Erdbebenforschung.

Verena V. Hafner, Juniorprofessorin für Kognitive RobotikVerena V. Hafner, Juniorprofessorin für Kognitive Robotik am Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin: Intelligentes Verhalten entsteht erst durch die Interaktion der Roboter mit ihrer Umwelt. (Foto: Matthias Heyde für HU Berlin, 2010)
Räumen wir doch einmal mit einem Vorurteil auf, Frau Professor Hafner: Es gibt gar keine intelligenten Roboter, sondern sie sind immer nur so schlau wie Sie und Ihre Kollegen sie programmiert haben, oder?

Ja, ketzerisch könnte man es behaupten.

Und die Roboter des Georgia Robotics and Intelligent Systems (GRITS) Lab können gar nicht lesen und schreiben, auch wenn sie 'buchstabieren' können?

Natürlich nicht! Das intelligente Verhalten entsteht erst durch die Interaktion der Roboter mit ihrer Umwelt. Ein herumstehender Roboter gilt nicht als intelligent.

Okay, das heißt, das Einzelexemplar ASIMO von Honda ist dumm wie Bohnenstroh?

Na ja, dem würde ich einen relativ geringen Intelligenzquotienten zusprechen. Er ist nicht lernfähig, da viele Funktionen wie das Laufen einprogrammiert sind. In der klassischen Robotik wird noch jeder Laufschritt programmiert. Dann sieht der Gang eben sehr mechanisch und abrupt aus. So ein Roboter kann auf die Änderung seiner Umwelt gar nicht reagieren.

Und wie programmiert man die 'Kontinuität der Bewegung'?

Man programmiert kein festes Verhalten mehr ein, sondern will, dass der einzelne Roboter „lernt“. Aus den Datenströmen der Sensoren, Bewegungsmotoren oder Bildinformationen der Kameras „erschafft“ sich der Roboter quasi sein eigenes Weltbild. Und wenn der Roboter sich bewegt, oder nach einem Gegenstand greift, verändert er sich und seine Umgebung, somit wiederum auch die Daten, die seine Sensoren erfassen. Deshalb spricht man von einer „geschlossenen Schleife“ und keiner Serie von unabhängigen einzelnen Schritten. Das System reagiert adaptiv, denn der Roboter soll sich der Umgebung anpassen und nicht umgekehrt.

Wie geschieht das?

Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze, die entweder biologischen Modellen nacheifern, also so eine Art künstliches Gehirn mit künstlichen Neuronen und Synapsen. Oder die klassischen Varianten mit hierarchischen Speichermodellen, in denen alle Informationen abgelegt werden.

Was macht eine Gruppe von autonomen Robotern nun zu einem Schwarm?

Beim Schwarm wird nichts zentral gesteuert, alle Objekte organisieren sich selbst! Das Verhalten basiert letztlich auf drei einfachen Regeln, die die einzelnen Individuen oder Roboter einhalten müssen:
  • Bewege dich in Richtung des Mittelpunkts derer, die du in deinem Umfeld siehst (Kohäsion).
  • Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt (Separation).
  • Bewege dich annähernd in dieselbe Richtung wie deine Nachbarn (Alignment).
Durch diese Vorgaben erhält man schon ein rudimentäres Schwarmverhalten, das sich in wenigen Programmcodezeilen formulieren lässt. Der Wissenschaftler nennt das 'Emergenz'.

Wie viele Roboter bilden einen Schwarm aus?

Ab drei Roboter ist es theoetisch ein Schwarm, aber mit wachsender Anzahl von Robotern kann sich das Schwarmverhalten komplett verändern.

Sind alle Roboter sozusagen 'gleich intelligent'?

Ja, ein homogenes System bedeutet, dass die Roboter alle den gleichen Programmcode besitzen und baugleich sind. Aber trotzdem gibt es immer auch Bautoleranzen bei den Motoren oder Sensoren, die sich eventuell erst im Verbund bemerkbar machen können. Deshalb ist es schier unmöglich, bei einem vorgegebenen Schwarmverhalten, das Verhalten des einzelnen Roboters zu prognostizieren.

Welche praktischen Erkenntnisse wollen Sie mit Ihren Experimenten gewinnen, Frau Hafner?

Die Wissenschaft muss zunächst einmal das 'intelligente Verhalten' verstehen, um daraus Prinzipien der Intelligenz zu extrahieren. In der Simulation mit Computer und Roboter soll beispielsweise das Panikverhalten des Menschen analysiert werden, um mit diesen Erkenntnissen zukünftig sichere Fluchtwege gestalten zu können. Wir experimentieren auch mit fliegenden Robotern.

Ihre Objekte gehen in die Luft?

Ja, wir verwenden autonome Fluggeräte – Multikopter mit vier oder acht Propellern – die später einmal ihren Einsatz in der Landwirtschaft und im Katastrophenschutz finden sollen.

Wie das?

Das seismische Netz zur Erdbebenvorhersage, welches statisch über die Erdoberfläche gespannt wurde, soll ja auch im Katastrophenfall funktionieren. Unsere schwärmenden Flugobjekte erweiterten dann als mobile Sensoren in der Luft das Netz. Dabei müssen die Flugroboter selbständig eine optimale Position wählen, um eine höchstmögliche Kommunikation zu gewährleisten.

Wir danken für das Gespräch, Frau Hafner.

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