Mittwoch, 29. Januar 2014

Packender ARD-Film schildert Justizskandal Harry Wörz





http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/contentblob/19/14/47/92/19144792/bild/2241272



http://www.focus.de/kultur/kino_tv/focus-fernsehclub/tv-kolumne-unter-anklage-der-fall-harry-woerz-die-ohnmacht-des-kleinen-harry-woerz_id_3578586.html

http://www.derwesten.de/panorama/packender-ard-film-schildert-justizskandal-harry-woerz-id8928730.html

Packender ARD-Film schildert Justizskandal Harry Wörz
29.01.2014 | 17:30 Uhr
Packender ARD-Film schildert Justizskandal Harry Wörz

12 Jahre musste Harry Wörz kämpfen, ehe er im Oktober 2009 erneut freigesprochen wurde.Foto: Sebastian Hattop/ SWR
Stuttgart.   Ein ARD-Film schildert das Schicksal von Harry Wörz. Viereinhalb Jahre saß er unschuldig hinter Gittern. Erst ein neuer Prozess bewies, dass er nicht der Täter sein konnte. Bei „Anne Will“ wird anschließend über den Justizskandal diskutiert.

Viereinhalb Jahre sitzt er unschuldig im Gefängnis, über 13 Jahre kämpft er für sein Recht. Der Fall Harry Wörz ist einer der größten Justiz-Irrtümer in der Geschichte der Bundesrepublik.

Helfen Sie dem WWF Kämpfen Sie mit dem WWF für den Artenschutz. Jedes Tier braucht seinen Platz zum Leben. Fördermitglied werden!
Chardonnay von Rothschild 6 Flaschen bester Chardonnay , ein Spitzenprodukt zum einmaligen Paketpreis von 39,90€! Jetzt bestellen
30%* Rabatt Nur bis Montag auf TUIfly.com: Flüge buchen und 30%* sparen, z.B. Mallorca oder Portugal! TUIfly.com
Ein Mann, der nur deshalb verurteilt wird, weil man ihn gerne als Täter sehen möchte. Und das vor allem, weil sich die Ermittler, die Polizei und wohl auch die Justiz, von Anfang an auf ihn kaprizieren. Denn wenn er es nicht ist, wäre es womöglich einer aus den eigenen Reihen.

Das gelingt wohl nur selten: dass der Zuschauer das Ende einer Geschichte bereits kennt, ihre Auflösung sozusagen, und ein Fernsehfilm dennoch bis zur letzten Minute spannend bleibt.

Man mag Till Endemann und Holger Joos (Regie und Drehbuch) vorwerfen, dass sie die Geschichte etwas bieder und vielleicht auch eindimensional inszeniert haben, anrührend, ja auch packend bleibt sie dennoch. „Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz“ (ARD, Mittwoch 20.15 Uhr) schildert, wie einer, der sich nicht wehren kann, diesem Rechtsstaat hoffnungslos ausgeliefert ist.

Denn Recht haben, heißt nicht Recht bekommen, sagt der Volksmund. Und Harry Wörz (Rüdiger Klink), der Bauzeichner aus Pforzheim, bekommt das bitter zu spüren. Nur eineinhalb Jahre lebte er mit seiner Ehefrau, einer Polizistin, zusammen, bevor sie auszieht und ein Verhältnis mit einem verheirateten Kollegen beginnt. Im Frühjahr 1996 ist das.

Am Morgen des 29. April 1997 dann wird Harry Wörz überfallartig verhaftet, als er sein Haus verlässt. In der Nacht war seine Ex-Ehefrau stranguliert und bewusstlos in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Entdeckt hat sie ihr eigener Vater, ein Polizist. Silke erleidet schwere Hirnschäden, wird nie wieder das Bewusstsein erlangen.

Elf Jahre Gefängnisstrafe
Die Ermittlungen hat die Polizei Pforzheim übernommen. Ausgerechnet die Kollegen ihres Vaters, ihres Geliebten. Bald steht der Ex-Mann allein im Fokus. Es habe Streit um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn gegeben, die Situation sei eskaliert. Wörz wird in einem Indizien-Prozess zu elf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt.

Erst als Wörz Schwiegereltern ihn wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen, scheint sich das Blatt zu wenden. Der junge Rechtsanwalt Hubert Gorka (Felix Klare) übernimmt den Fall, stellt den ersten Prozess massiv in Frage. Unterstützt von Harry Wörz selbst, der die Akten im Gefängnis akribisch überprüft, beweist er, wie schlampig ermittelt worden ist. Beweisstücke sind verschwunden, Akten verwechselt, Zeugen-Aussagen verfälscht wiedergegeben.

Die Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe weist die Klage der Schwiegereltern ab. Es soll jedoch noch Jahre dauern, bis Wörz in einem Wiederaufnahme-Prozess freigesprochen wird.

Anwalt Gorka: „Nah an der Realität“
Vermutlich ist es der Fülle der Fakten, der Ereignisse geschuldet, dass der 90-Minüter Harry Wörz’ Geschichte so komprimiert und einzig aus seiner Perspektive schildert. Dennoch ist er ein spannender Film.

Auch der reale Hubert Gorka, der Karlsruher Rechtsanwalt, empfindet ihn als „ganz nah an der Realität, auch wenn der Fall in Wirklichkeit noch viel schwieriger war“, erklärte der Jurist gestern gegenüber unserer Redaktion und: „Es gibt drei große Verlierer in diesem Fall: Harry Wörz, dessen Leben fast zerstört wurde, seine Frau und der gemeinsame Sohn.“

Zu ihm hat Harry Wörz bis heute keinen Kontakt mehr.

Packender ARD-Film schildert Justizskandal Harry Wörz | WAZ.de - Lesen Sie mehr auf:
http://www.derwesten.de/panorama/packender-ard-film-schildert-justizskandal-harry-woerz-id8928730.html#plx850823829



http://politikparadox.blogspot.de/2014/01/anne-will-unschuldig-hinter-gittern.html



Anne Will: Unschuldig hinter Gittern - Sind Justizirrtümer wirklich Ausnahmen?


Thema diesmal:
Unschuldig hinter Gittern - Sind Justizirrtümer wirklich Ausnahmen?
Neuhaus/Bosbach/Gehrke/Däubler-Gmelin/Wörz
© Will Media Fotograf: Borrs
    Die Gäste
  • Ralf Neuhaus Strafverteidiger
  • Wolfgang BosbachVorsitzender des Innenausschusses des Bundestages
  • Heinrich Gehrke Richter aD.
  • Herta Däubler-GmelinEhemalige Bundesjustizministerin
  • Harry Wörz Justizopfer


29.01.14 | 21:45 Uhr
Der Fall Harry Wörz ist einer der aufsehenerregendsten Justizirrtümer in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik. Viereinhalb Jahre saß Wörz zu Unrecht im Gefängnis, 13 Jahre lang kämpfte er um die Anerkennung seiner Unschuld. Im Anschluss an den ARD-Film "Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz" diskutiert Anne Will mit ihren Gästen über Justizirrtümer. Sind Fehlleistungen in der deutschen Justiz wirklich nur Ausnahmen? Wie sensibilisiert sind Richter und Ermittlungsbehörden für die schwerwiegenden persönlichen Folgen eines solchen Irrtums? Wie können Justizopfer angemessen entschädigt werden?

Anne Will Seite: http://daserste.ndr.de/annewill/
Anne Will Blog: http://annewill.blog.ndr.de/2014/01/28/justizirrtuemer/

Kommentare aus dem Blog:

Gerd 49:
28. Januar 2014 um 22:21 Uhr
“Joachim Gauck – der Freiheitsprediger” lautete die Schlagzeile der WAZ am 18.03.2012 zum Einzug des Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue. “Ich habe miterlebt, dass Deutsche imstande sind, für Freiheit und Demokratie eine Revolution zu wagen” wird er in dem Artikel zitiert.
Wir alle kennen ihn als Missionar der Freiheit in dessen Reden der Begriff “Freiheit” die zentrale Rolle spielt.

Es würde mich einmal brennend interessieren, wieviel Freiheit denn wert ist.
In Deutschland 25 Euro pro Tag, abzüglich Verpflegung. Ob das Geld einkommensteuer- und sozialversicherungspflichtig ist, weiss ich nicht, könnte aber sein.

Meint Herr Gauck eventuell nicht die Freiheit des Normalbürgers sondern die Freiheit der Besserverdiener und des “scheuen Rehs”? Die ist natürlich mehr wert.

Wie steht der höchste Repräsentant dieses Staates dazu, dass Mitmenschen, die keine Straftat begangen haben, im Namen des Volkes, also in unserem Namen, oftmals leichtfertig oder auch bewusst?, auf Jahre weggesperrt werden und ihnen damit die von ihm so hochgelobte Freiheit genommen wird. (die für 25 Euro pro Tag)

Wikipedia schreibt:
“Stellt sich nachträglich heraus, dass ein Justizirrtum vorliegt, so erhalten die Betroffen proportional zur Haftdauer eine Entschädigung für die Haftzeit entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Von dieser Summe wird eine Pauschale für die tägliche Verpflegung abgezogen. Die Entschädigung beträgt zur Zeit für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, 25 EUR pro Hafttag. In Österreich bekommt man im Falle des erwiesenen Justizirrtums hingegen hundert Euro pro Tag an Haftentschädigung.”

Leider sind die Verantwortlichen, denen die “Justizopfer” ihr vertanes Leben zu verdanken haben, in den seltensten Fällen bereit darüber zu sprechen, im Gegenteil, sie laufen zur Höchstform auf um alles zu vertuschen und abzustreiten, finden hilfsbereite Kollegen und fallen zwar auf der Karriereleiter, aber nach oben.


Roberta Leicht: 28. Januar 2014 um 13:06 Uhr
Ich war damals in der Gegend zuhause und kriegte das Theater mit. Unvorstellbare Schlamperei der Pforzheimer Polizei!! Kollegenschutz. Mannheim hat sich genauso quergestellt.
Man kann diesenFall durchaus gleichstellen mit Mollath. Ein skandalöses Versagen der Behörden. Hätte der Schwiegervater keinen Zivilprozess um Schadenersatz angezettelt und wäre dieser nicht negativ ausgegangen, weil die Schuld angeblich nicht bewiesen war, der gute Harry hätte alles UNSCHULDIG absitzen müssen.
Und: WER ist der wahre Täter? Warum hat man diesen überhaupt nimmer gesucht?
Peinlich, schlimm.

caterina ehlers:
28. Januar 2014 um 13:52 Uhr
Ein sehr emotionales Thema. Ich glaube überall wo der Mensch entscheiden muss ist er der Möglichkeit zu irren ausgeliefert.
Ich habe die Reportagen von Herrn Wörz gesehen. Er hat ja durch den Irrtum nicht nur seine Freiheit verloren, sondern man überlege seine kleine Familie.
Ich frage mich wieviel Vertrauen bleibt einem Menschen noch möglich der so folgeschwere Irrtümer hintereinander aushalten muss?
Das Vertrauen ist das A und O eines Menschen in eine Gesellschaft dessen Teil er als Individuum ist. Deshalb ist besonders die Gerichtsbarkeit ein ganz wichter Schlüssel.
Ich glaube die Tragweite ist da besonders groß, wenn dort Irrtümer passieren.
Allerdings bin ich der Meinung dass tausende von Richtern sehr weise und gerecht ihr Urteil bilden und im Zweifel für den Angeklagten ist der wichtigste gesetzliche Leitfaden um Irrtümer zu vermeiden.
Obwohl das auch wieder ein Irrtum sein kann.
MFG

Claudius Arzt:
28. Januar 2014 um 15:03 Uhr
Hier wird nur über die Spitze des Eisbergs diskutiert. Kachelmann, Mollath, Wörz – gegen Staatsanwaltschaften und Richter haben nur die eine Chance, deren Fall in aller Öffentlichkeit verhandelt wird oder die prominent sind. Ich durfte es am eigenen Leib erleben: Die Staatsanwaltschaft hat mir von Beginn an kein Wort geglaubt und meine Einlassungen einfach ignoriert. Der Gegenseite dagegen hat sie uneingeschränkt jedes Wort abgenommen. Der Richter wiederum hat sich den Vorverurteilungen der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Zuletzt hatte ich Angst, dass ich quasi als notorischer, uneinsichtiger Querulant, ähnlich wie Herr Mollath, in die Psychiatrie gesteckt werde. Mein Anwalt, dem ich kein ausreichend hohes Honorar zahlen konnte, war auf der Seite des Richters, den er gut kannte. Ich habe mich auf den “Deal” schließlich eingelassen und mehrere tausend Euro für eine Tat gezahlt, die ich nicht begangen habe.

Marie Luise Müller:
28. Januar 2014 um 16:10 Uhr
Ich möchte einen Satz von C. Ehlers aufgreifen: „Allerdings bin ich der Meinung dass tausende von Richtern sehr weise und gerecht ihr Urteil bilden und im Zweifel für den Angeklagten ist der wichtigste gesetzliche Leitfaden um Irrtümer zu vermeiden.“

Es ist das einzelne Urteil, dass sich im Nachhinein als Fehlurteil herausstellt, was immer für Aufregung sorgt. Der Betroffene verliert dadurch alles; seine Wohnung, seine Familie, seine Freunde. Nachdem er freigelassen wird, steht er mit einem sogenannten Schadensersatz vor dem Nichts. Dazu kommen sicherlich noch gesundheitliche (psychische und physische) Probleme. Der überwiegende Teil der Richter ist sich dieser Verantwortung bewusst und fällt in der Regel ein ausgewogenes Urteil.

Wenn aber nun ein Staat in persona der Richter (sie sind ja unabhängig in ihrer Urteilsfindung) sich als unfehlbar hinstellt und alles dafür macht, das diese Position unanfechtbar bleibt, sollte dieser sich hinterfragen, inwieweit er überhaupt daran interessiert ist, eklatante Fehler, die einzelne auszubaden haben, auszuräumen. Er handelt nach der abartigen Devise, Schwund ist eben überall.

Bei Wörz war es doch bereits von Anfang der Gerichtsverhandlung offensichtlich, dass die ihn angeblich belastenden Indizien von den Polizistenkollegen des Ex-Schwiegervaters in Zusammenarbeit getürkt waren. Da kann sich der Richter nicht hinstellen, er hätte nicht anders entscheiden können, da die Beweise der ermittelnden Polizisten erdrückend waren.

Kein Mensch, so auch kein Richter, ist unfehlbar. Warum muss deshalb ein Urteilsspruch von Menschen stehen bleiben? Warum traut sich der Staat zu, arrogant auf seine Unfehlbarkeit zu beharren? Oder ist er ganz einfach nur zu faul?

Wer in derartige Verquittungen von „Interessen“ gerät, muss einen langen Atem haben. Wörz hatte ihn. Und dazu noch das Glück, dass die, die ihn hinter Gitter brachten, in ihrem gierigen Übermut jetzt noch Geld von ihm haben wollten.

Ich wurde ein einziges Mal vor Gericht gezerrt und kann der deutschen Justiz nur ein gutes Zeugnis bescheinigen. Sie machte sich die Mühe, alle vorgelegten getürkten „Beweise“ zu hinterfragen und somit alle Aussagen des Klägers im Verbund mit einem Internet-Etwas (das ist das, was mit kühlem Verstand und heißem Herzen auftritt, deshalb das Neutrum gewählt) als das zu entlarven, was sie waren: Lügen. Dabei habe ich aber die Erfahrung gemacht, wenn jemand dir Böses will, sich dazu noch Verbündete ohne jeglichen Anstand und jede Moral sucht und findet, hat ein Beschuldigter es sehr schwer, seine Unschuld zu beweisen. Es ist ein Sche…gefühl zu wissen, unschuldig zu sein, aber es beweisen zu müssen, es auch zu sein. Übrigens, bis heute hat der Kläger mit seiner Gefolgschaft nicht die Zeit gefunden, sich bei mir zu entschuldigen.

Wörz ist ja Gast bei AW. So kann jeder einen Eindruck erhalten, welche Spuren dieser kriminelle Anschlag bei ihm hinterlassen hat. Ich hoffe sehr, mit dem zeitlichen Abstand geht es ihm heute gut. Bestimmt erfahren wir auch etwas darüber, wie heute der Stand ist. Deshalb @ gerlach, der Fall ist signifikant und aktuell. Wenn Sie nichts darüber lesen und hören wollen, fahren Sie Ihren PC runter und schalten den Fernseher ab. Spart Strom und Nerven.




JUSTIZIRRRTÜMER„Hass darf nicht schwerer wiegen als die Liebe”

INTERVIEW MIT HARRY WÖRZ
picture alliance
Links der Harry aus dem Film, rechts das Original: Der Pforzheimer Bauzeichner saß unschuldig viereinhalb Jahre in Haft
Sein Schicksal erregte bundesweit Aufsehen: Harry Wörz wurde 13 Jahre lang zu Unrecht des Mordes beschuldigt. Cicero Online erzählt er, wie er sich seinen Lebensmut dennoch bewahrt hat und wie er heute zum Rechtsstaat steht
Cicero Online: Herr Wörz, Sie wurden 13 Jahre lang für eine Tat verdächtigt, die Sie nie begangen haben. Viereinhalb Jahre saßen Sie im Gefängnis. Erst 2010 wurden Sie endgültig freigesprochen. Wie geht es Ihnen heute?
Harry Wörz: Wie soll es mir nach solch einer langen Odyssee schon gehen? Bis heute leide ich unter Konzentrationsproblemen. Wenn ich etwa ein DIN-A 4-Blatt lese, habe ich bereits nach der Hälfte wieder vergessen, was da steht. Dafür sind mir die Akten immer präsent. Wenn Sie mich etwa fragen: Was steht im dritten Ordner auf Seite 177, kann ich Ihnen sagen: Da geht es um einen Beschluss der Staatsanwaltschaft. Aber was nützt mir dieses Wissen schon im Alltag?
Wie hat sich der Rechtsstaat Ihnen gegenüber im Nachhinein verhalten?
Das ist eigentlich der größte Skandal: Obwohl die Behörden über 13 Jahre lang nur geschlampt haben, bin ich heute derjenige, der den Staat verklagen muss, um an mein Geld zu kommen. Alles wird überprüft: Sogar Parktickets für die Verhandlungszeit am BGH in Höhe von vier oder sechs Euro muss ich nachreichen. Immer wieder kommt es zu Verzögerungen.
Wem geben Sie die Schuld an diesem Justizirrtum?
Der Pforzheimer Polizei und der Staatsanwaltschaft. Die Polizei hatte damals die Akten gefälscht und die Staatsanwaltschaft hatte die Haupt- mit den Seitenakten vertauscht. So sind schließlich die falschen Akten an das Gericht geschickt worden. Das bedeutet: Als ich verurteilt worden bin, kannte das zuständige Gericht nicht einmal die vollständige Aktenlage!
Es hat sich niemand bei Ihnen entschuldigt?
Nein. Eine Entschuldigung gab es bislang nicht.
Sie haben Ihren Glauben an den Rechtsstaat komplett verloren?
Was den Glauben an Polizei und Staatsanwaltschaft angeht, auf jeden Fall. Es gibt sicher auch gute Staatsanwälte, die aber leider nicht in einem meiner Verfahren tätig waren.
Was muss sich ändern?
Das ist schwer zu sagen, ich bin kein Jurist. Es müsste aber dringend eine Instanz geben, die diese beiden Institutionen kontrolliert, damit solch eine Schlamperei wie in meinem Fall in Zukunft ausgeschlossen ist.
Wie haben Sie es geschafft, über diese lange Zeit Ihren Lebensmut nicht zu verlieren? 
Ich habe immer versucht, meinen Hass auf das System durch die Liebe zu meinem Sohn im Gleichgewicht zu behalten. Denn der Hass sollte nie schwerer wiegen als die Liebe. Darauf habe ich immer geachtet.
Ihre Lebensgeschichte ist nun verfilmt worden und wird heute Abend in der ARD ausgestrahlt. Wie gefällt Ihnen das?
Gut. Vielleicht kann der Film ja ein kleines Stück dazu beitragen, dass sich so etwas wie bei mir in Zukunft nicht mehr wiederholt.
http://www.cicero.de/node/56938

JUSTIZOPFER HARRY WÖRZDreizehn Jahre gestohlenes Leben

INTERVIEW MIT HUBERT GORKA
ARD
Der Schatten eines Mannes in einem Gefängnis. Der Justizirrtum Harry Wörz
Recht haben heißt nicht immer Recht bekommen
Die ARD zeigt am Abend den Film „Unter Anklage. Der Fall Harry Wörz“. Die Verurteilung des Pforzheimer Bauzeichners im Jahr 1997 zählt zu den größten deutschen Justizirrtümern. Sein Verteidiger Hubert Gorka erzählt, was sich am deutschen Rechtswesen ändern muss
Seite 1 von 3
Harry Wörz wurde des versuchten Totschlags an einer Polizeibeamtin beschuldigt: In der Nacht des 29. April 1997 soll er seine getrennt lebende Ehefrau so fest gewürgt haben, dass sie ihr Leben lang ein Pflegefall blieb. Obwohl er immer wieder seine Unschuld beteuerte, waren Polizei und Staatsanwaltschaft von seiner Täterschaft überzeugt. Er wurde zu 11 Jahren Haft verurteilt. Seine Ex-Schwiegereltern forderten zudem Schmerzensgeld für die Pflege ihrer Tochter. In diesem Zivil-Verfahren ergaben sich erhebliche Ungereimtheiten: Die Polizei hatte bei ihren Ermittlungen offensichtlich geschlampt. Am 30. November 2001 wurde der Haftbefehl gegen ihn überraschend aufgehoben. Es kam zur Wiederaufnahme des Verfahrens, 2005 folgte der Freispruch. Dieser wurde in der Revision vom Bundesgerichtshof jedoch wieder aufgehoben. Erst am 15. Dezember 2010 wurde Harry Wörz endgültig freigesprochen.

Herr Gorka, Sie sind in den Fall eingestiegen, als die Schwiegereltern von Harry Wörz ihn zu 300.000 D-Mark Schmerzensgeld verklagt haben. Da saß Herr Wörz bereits ein Jahr in Haft. Was hat Sie an dem Fall gereizt?
Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass ich es mit einem unschuldigen Menschen zu tun habe. Zudem handelte es sich um einen versuchten Mord in Polizistenkreisen. Die Beweislage war dürftig. Ich empfand es als eine spannende Herausforderung, die Gerechtigkeit wiederherzustellen und einen offenbaren Justizirrtum zu beseitigen.
Es ist Ihnen gelungen, die haarsträubenden Schwachstellen bei den Ermittlungen der Pforzheimer Polizei aufzuzeigen. Wie konnte es überhaupt zu solchen Schlampereien kommen? 
Die einseitige Ermittlungsweise ist aus heutiger Sicht in der Tat nahezu unerklärlich. Beispielsweise hatte zumindest ein ursprünglich Tatverdächtiger weiterhin ungehinderten Zugang zum Tatort, obwohl die Spurensicherung noch nicht abgeschlossen war. Zudem wurden offenbar Informationen zurückgehalten. So kam es schließlich dazu, dass sich weder Staatsanwaltschaft noch das Gericht einen vollständigen Überblick über die Beweislage verschaffen konnte.
Trotz der offensichtlichen Ermittlungsfehler hielt die Staatsanwaltschaft Harry Wörz 2005 nach wie vor für den Schuldigen. Der Freispruch wurde zunächst wieder aufgehoben. Warum konnte der richtige Täter eigentlich nie überführt werden?
Man darf nicht vergessen, dass die Straftat bereits 1997 verübt wurde. Allein bis zum ersten Freispruch 2005 vergingen also acht Jahre. Die Spuren, die man hätte auswerten können, wurden immer schlechter, manche Beweismittel wurden zwischenzeitlich sogar vernichtet. Es war also schlichtweg unmöglich, die vorhandenen Beweise präzise auszuwerten. Darüber hinaus kann man nicht ohne weiteres erwarten, dass sich acht Jahre später plötzlich neue Spuren auftun. Zeugen vergessen über eine solch lange Zeitspanne, was wirklich geschehen ist. Oder sie sind zwischenzeitlich verstorben, wie etwa der Nachbar, der den mutmaßlichen Streit zwischen Täter und Opfer gehört haben will.
Als damals der Freispruch wieder aufgehoben wurde, waren Sie kurz davor, zu resignieren. Was hat Sie bestärkt, schließlich doch weiterzumachen?
Das ganze Verfahren war ein einziges Auf und Ab. Als es nach zähem Ringen tatsächlich zum Freispruch kam, war ich mir relativ sicher, dieses Urteil würde auch Bestand haben. Dementsprechend überrascht war ich, als der Bundesgerichtshof im Zuge der Revision den Fall mit einer recht eindeutigen Begründung wieder an das Landgericht Mannheim zurückwies. Wenn ich mich recht erinnere, sprach der Vorsitzende Richter damals von „originärem Täterwissen“. Mir war sofort klar: Diese Entscheidung des Bundesgerichthofs liefert quasi eine Steilvorlage für das Gericht, Herrn Wörz erneut zu verurteilen. Damals war ich an einem persönlichen Tiefpunkt angelangt. Ich dachte daran, den Fall einem anderen Anwalt zu übergeben. Auf Bitten von Herrn Wörz habe ich mich eines Besseren besonnen und weitergemacht.

„Die Medien waren sehr hilfreich"

Seite 2 von 3
Warum lagen auch die Richter am BGH so daneben? Hatten sie nicht sorgfältig genug geprüft?
Die Richter am BGH hatten ausschließlich Rechtsfehler zu überprüfen. Von ihrem Standpunkt aus bestand keine Notwendigkeit, weitere Tatsachen zu berücksichtigen. Dies konnte ich damals nicht mit Erfolg angreifen. Es konnte aber auch rechtlich nicht erfolgreich beanstandet werden.
In dem darauffolgenden Wiederaufnahmeverfahren wurde Harry Wörz 2010 schlussendlich und unwiderruflich freigesprochen. Wie kam es nun zu dieser spektakulären Wendung?
Die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Rolf Glenz rollte den Fall noch einmal systematisch auf. Uns ist es gelungen, durch Zeugenaussagen ursprünglich verloren gegangene Aktenvermerke der Polizei zu rekonstruieren und in das Verfahren einzuführen. Auch ergaben sich neue Hinweise aus bislang nicht bekannten Spurenakten. Das konnte die bisherigen Indizien gegen Herrn Wörz zusätzlich entkräften. Schlussendlich folgte das Landgericht Mannheim unserer Einschätzung.
Der Fall von Harry Wörz wurde bundesweit in den Medien diskutiert. Hat der Druck der Öffentlichkeit die Entscheidung des Gerichts beeinflusst?
Ich möchte den Richtern nicht Unrecht tun, aber ich glaube schon. Die Begleitung durch die Medien war sehr hilfreich, um zu einem gerechten Urteil zu kommen.
Heißt das, die Rechtsprechung lässt sich von der öffentlichen Meinung beeindrucken?
Diesem Eindruck kann ich mich nicht verwehren. Das ist im Übrigen ähnlich wie im Fall von Gustl Mollath. Deswegen hat sein Verteidiger auch offenbar bewusst den Weg in die Öffentlichkeit gewählt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es ohne den öffentlichen Druck zum selben Ergebnis gekommen wäre.
Spricht nicht gerade für die Qualität unserer Justiz. Räumen Sie damit nicht ein, dass Richter manipulierbar sind?
Nein, ich glaube, dass alle beteiligten Richter nach bestem Gewissen geurteilt haben, sonst wäre es ja auch nicht zu den beiden Freisprüchen gekommen. Gleichwohl war ich für die Unterstützung der Medien sehr dankbar.
Wie hoch schätzen Sie denn die Dunkelziffer von Justizirrtümern bei weniger öffentlichkeitswirksamen Urteilen ein?
Hier gibt es natürlich nur Schätzungen. Es werden immer wieder Zahlen genannt, die um die 25 Prozent schwanken. Ich weiß wirklich nicht, ob das so stimmt. Das lässt sich ja nicht beweisen. Es sind in jedem Fall zu viele. Zu meinen Studienzeiten ging man noch davon aus, dass es sich bei circa einem Prozent aller strafgerichtlichen Urteile um Fehlurteile handelt. Heute weiß man jedoch, dass das eher Wunschdenken war. Wenn man sich etwa vergegenwärtigt, dass bis zu 40 Prozent der Urteile in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der ersten und letzten Instanz abgeändert werden und die Abänderungsquote vor US-amerikanischen Gerichten ähnlich hoch ist, halte ich eine hohe Zahl für durchaus plausibel.






Der Film „Unter Anklage. Der Fall Harry Wörz" läuft am 29. Januar um 20.15 Uhr in der ARD.
Das Interview führte Katharina Dippold







































































































































































































































































































































































































http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/faz-net-fruehkritik/tv-kritik-anne-will-im-schutz-der-akten-12776359.html


TV-Kritik Anne WillIm Schutz der Akten

  ·  Vier Juristen und Harry Wörz, der Mann, der unschuldig im Gefängnis saß: Bei Anne Will bleiben viele Fragen offen. Eine nicht: Recht ist nicht unbedingt Gerechtigkeit.
© DPAVergrößernHarry Wörz (Januar 2014)
Der Spielfilm, der seine Geschichte erzählt, war kaum zu Ende, das saß der echte Harry Wörz bei Anne Will im Studio: Der Mann, der 1998 zu elf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt wurde, weil er seine getrennt von ihm lebende Frau stranguliert haben soll. Der gut viereinhalb Jahre hinter Gittern verbrachte, unschuldig, wie er immer beteuerte, bis ein Gericht ihn dreizehn Jahre und zahlreiche Prozesse nach dem ersten Urteil freisprach – und der „Fall Wörz“ zum Beispiel für einen beispiellosen Justizirrtum wurde.
Um Justizirrtümer und darum, was man gegen sie tun kann, sollte es in der Talkrunde gehen, zu der immerhin die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, gehörten. Doch die meisten Zuschauer, die nach dem Film „Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz“ vor dem Fernseher sitzen geblieben sind, werden vor allem Harry Wörz selbst haben wollen. Denn ohne ein persönliches Schicksal vor Augen wäre das, was da bei Anne Will verhandelt wurde, vor allem eines gewesen: etwas für juristische Feinschmecker. Oder für Menschen mit Sinn fürs Spekulative.

Die magische Fünfundzwanzig

So saß denn Harry Wörz, die prall gefüllten Mappe mit seinen wichtigsten Prozessakten auf dem Schoß, zeitweise schweigend zwischen lauter Juristen die mit der Zahl Fünfundzwanzig jonglierten, als hinge das Heil von ihr ab: Enden tatsächlich, wie es heißt, fünfundzwanzig Prozent aller deutschen Strafprozesse mit Fehlurteilen? Keiner wusste es zu sagen, wie denn auch. Das Bauchgefühl von Heinrich Gehrke, ehemals Vorsitzender Richter am Landgericht Frankfurter, sagte: Es sind viel weniger. Das von Ralf Neuhaus, Wörz’ Strafverteidiger: Könnte stimmen. Und sind fünfundzwanzig Euro Entschädigung für jeden Tag zu Unrecht abgesessener Haft angemessen? Alle wussten: nein. Wie es mehr werden könnte, blieb dagegen unklar.
Herta Däubler-Gmelin erinnerte daran, dass Gefängnisse Ländersache seien und die Länder nicht gerne höhere Zahlungen leisteten, Bosbach daran, dass die Neukodifizierung des Staatshaftungsrechts im Koalitionsvertrag stehe, sich also etwas tun könne in Sachen Entschädigung. Dann drohte die Diskussion in Begriffe wie preußisches Landrecht, Beweis des Anscheins und Nichtvermögensschaden zu zerfasern.

Fragen an den, um den es ging

In solchen Momenten tat Anne Will gut daran, dem Mann Fragen zu stellen, um den es vor allem ging. Und holte den gelernten Installateur Harry Wörz ohne falsche Überempathie ins Gespräch zurück. Wenn er redete, wurde nicht so sehr die lange Kette der Justizversagen sichtbar, aus der sein Fall besteht – selbst wenn er Beispiele von vertauschten Akten und verschwundenen Beweisstücken herbeizitierte – sondern vor allem der große innere Druck, unter dem er immer noch steht. Womit er heute seine Tage verbringe, fragte ihn Anne Will. Er wälze Akten, sagte Wörz. Die Akten seien seine Schutzhülle. Er berichtete von Depressionen, Schlafstörungen und von seinem Kampf um die Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit. Die Beweislast in dieser Sache liegt bei ihm.
 1/2 
© DPAVergrößernHarry Wörz (Dezember 2010)
Auf Fehler zu reagieren ist immer einfacher, als welche zu vermeiden oder gar unentdeckte auszumachen. Da war es nur folgerichtig, dass sich das Gros der Diskussion um Fragen der Wiedergutmachung drehte. Wer wollte nicht, dass Justizopfer Hilfe bei der Rückkehr ins normale Leben erhalten, wie sie mit Bewährungshelfern für entlassene Strafgefangene selbstverständlich ist? Wer nicht, dass der Entschädigungssatz für Hafttage hundert Euro oder mehr betragen möge, die Beweislast in der Erwerbsunfähigkeitsfrage umgekehrt werde und auch weitere Schäden, die durch Eingriffe ins Persönlichkeitsrecht entstanden sind, angemessen abgegolten werden? Hier können sich allerlei Gesetze denken lassen, und es war Zeit für schöne Worte wie die von Bosbach: „Das alles kostet viel Geld, aber das muss dem Rechtsstaat die Gerechtigkeit wert sein.“
Verblüffender waren die ungelösten Fragen. Zum Beispiel: Wie kommt es überhaupt zu solch gravierenden Justizfehlern? Die Ideensammlung anhand des Falles Wörz ergab: Wenn die Polizei zu früh nur noch in eine Richtung ermittelt und die Staatsanwaltschaft nicht korrigierend eingreift. Wenn Richter mehr auf Staatsanwälte, als auf Verteidiger. Wenn wichtige Aussagen in Seitenakten verschwinden. Wie denn da Kontrollmechanismen einzuziehen seien, wollte Anne Will immer wieder wissen. Rechte Antworten gab es nicht. Herta Däubler-Gmelin machte sich für Videoaufzeichnungen von Verhören stark, was Gehrke als mutmaßlich zu teuer abkanzelte, und Bosbach argumentierte, letztlich sei der Irrtum eine menschliche Verhaltensweise, die sich nicht per Gesetz abschaffen lasse.

Was ist überhaupt ein Fehlurteil?

Das aber führte zum eigentlichen Punkt. Denn: Was ist überhaupt ein Justizirrtum? Wenn ein Unschuldiger verurteilt und ein Schuldiger freigesprochen wird, möchte man meinen. Doch so ist es natürlich nicht. Man nehme das Beispiel dieses Mann, der sein kleines Kind erschlug und einen Autounfall fingierte, um die Tat zu vertuschen. Als er nach einer Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung freikam, sagte er die Wahrheit und konnte nicht neu belangt werden. „Hatte das Gericht ein Fehlurteil gefällt?“, fragte Bosbach und meinte: nicht unbedingt. Denn für Juristen ist die Frage, ob das Gericht den Sachverhalt, wie er sich ihm darstellte, angemessen gewürdigt hat. Recht ist nicht unbedingt Gerechtigkeit. Gehrke wagte als advocatus diaboli auszusprechen: „Unser Rechtssystem geht oft zu Lasten der Gerechtigkeit. Aber das ist nicht zu ändern.“
Harry Wörz hielt sich an seinen Akten fest. So recht geeignet, das Vertrauen in die inneren Kontrollmechanismen der Justiz zu stärken, war die Runde jedenfalls nicht. Was er sich wünsche, wurde Wörz gefragt. Die Wiedergutmachung, die ihm zustehe, sagte er, und dass der Staat den wahren Täter finde. Aber der Prozess sei ja abgeschlossen. Dann sagte er noch: „Frieden.“
Quelle: FAZ.NET