Mittwoch, 07. Oktober 2015
Milliardenkosten für Asylbewerber
Drei Gründe, warum sich Flüchtlinge lohnen
1,5 Millionen Flüchtlinge pro Jahr - das macht den Deutschen Angst. Ihre Integration wird Jahrzehnte dauern. Sie wird Milliarden kosten. Doch am Ende kann sich das Investment lohnen. Wenn es richtig angegangen wird.
So schnell wie die Menschen am Münchner Hauptbahnhof ankommen, verändert sich Deutschland: Die Union kann sich nach jahrelanger Blockade nun doch ein Zuwanderungsgesetz vorstellen. 1,5 Millionen Flüchtlinge sollen allein bis Jahresende nach Deutschland kommen, schreibt die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf einen Geheimbericht.
Eine neue Realität stellt sich ein: Hunderttausende Menschen, die aus Syrien, Irak oder Afghanistan fliehen, werden wohl auf Dauer hier bleiben. Das macht den meisten Deutschen Angst. Nicht ohne Grund: Die Integration der Flüchtlinge ist eine Mammutaufgabe. Sie wird Generationen beschäftigen und Milliarden kosten. Aber auf lange Sicht kann sie zum lohnenden Investment werden, falls die Politik sie richtig steuert. Die drei wichtigsten Gründe:
Deutschland braucht Zuwanderer
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Deutschland wird in den nächsten Jahren dramatisch altern und schrumpfen. Selbst bei vergleichsweise hoher Zuwanderung (200.000 Menschen jährlich) werden bis 2060 über sieben Millionen Menschen weniger in Deutschland leben, schätzt das Statistische Bundesamt. Die Erwerbsbevölkerung wird um fast ein Viertel schrumpfen. Rund jeder dritte Betrieb konnte im vergangen Jahr laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen.
Die Gretchenfrage ist, ob die Flüchtlinge qualifiziert sind, um diese Lücken zu schließen und Jobs zu finden. "Die Arbeitsmarktintegration braucht Zeit", mahnt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Arbeitsagentur. Die berufliche Qualifikation von Flüchtlingen sei im Durchschnitt deutlich schlechter als bei Deutschen oder anderen Migranten. Nur etwa acht Prozent fänden im ersten Jahr eine Beschäftigung. Nach fünf Jahren seien es aber schon 50 Prozent.
Flüchtlinge sind zunächst eine finanzielle Last: Sie müssen mit Milliarden ausgebildet und qualifiziert werden. Aber sie haben großes Potential: 55 Prozent sind laut IAB jünger als 25 Jahre. "Oftmals bringen sie eine überdurchschnittliche Motivation, Eigeninitiative sowie eine hohe Lern- und Leistungsbereitschaft mit, die auch zum Teil fehlende Sprachkenntnisse und Zeugnisse kompensiert", schreibt die Arbeitsagentur. Es gebe ein "erhebliches Qualifizierungspotenzial, das langfristig voraussichtlich zu hohen Erträgen am Arbeitsmarkt führt", meint das IAB.
Daimler-Chef Dieter Zetsche glaubt sogar, dass Flüchtlinge das nächste deutsche Wirtschaftswunder auslösen könnten. Das ist natürlich ein großes Stück Daimler-PR. Aber mit einem hat er Recht: "Deutschland kann doch die freien Arbeitsplätze gar nicht mehr allein mit Deutschen besetzen." Wenn sie richtig ausgebildet werden, können Flüchtlinge langfristig ein finanzieller Gewinn für die deutsche Wirtschaft sein.
Flüchtlinge können das Wachstum ankurbeln
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670 Euro monatlich will die Bundesregierung für jeden Flüchtling zahlen. Bei 1,5 Millionen Migranten würden so rund 12 Milliarden Euro jährlich zusammenkommen - ein kleines Konjunkturprogramm. Die Deutsche Bank rechnet dank der Flüchtlinge im nächsten Jahr sogar mit einem höheren Wachstum: "Der Konsum wird einen zusätzlichen Schub durch die anhaltend hohe Zuwanderung und insbesondere die markante Zunahme von Asylsuchenden erhalten".
Denn die Ausgaben sind kein rausgeworfenes Geld für Fremde, sondern Einnahmen für deutsche Firmen und Angestellte. Es kommt der Bauwirtschaft zugute, wird für Lebensmittel, Kleidung und Fortbildung ausgegeben. Und schafft neue Jobs in Deutschland: bis zu 25.000 Lehrer sind laut dem Philologenverband nötig. Die Deutsche Polizeigewerkschaft will 15.000 zusätzliche Polizisten. Der Städte- und Gemeindebund verlangt bis zu 50.000 neue Sozialarbeiter. Der Beamtenbund fordert 20.000 neue Stellen in den Behörden.
Der Großteil des Geldes verpufft also nicht, sondern wird profitabel in die Zukunft investiert. Die EU will deshalb womöglich Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, höhere Schulden erlauben. Das ist der Knackpunkt: Wenn Flüchtlinge die Wirtschaft ankurbeln sollen, muss zusätzliches Geld ausgegeben und nicht woanders eingespart werden. Sonst verdrängen die Flüchtlingskosten nur andere Staatsausgaben. Finanzminister Schäuble ist die Schwarze Null jedoch heilig. Laut "Bild"-Zeitung werkelt er an einem Sparpaket von 500 Millionen Euro.
Flüchtlinge verdrängen keine Deutschen
Auch die Angst vor Konkurrenz, die viele Deutsche beim Gedanken an hunderttausende Flüchtlinge wohl befällt, ist größtenteils unbegründet. Zwar wird laut IAB das Arbeitskräfteangebot durch die Flüchtlinge um fast eine Million Menschen steigen. Einheimische Arbeitnehmer hätten dennoch keine Verdrängungseffekte "in größerem Umfang" zu befürchten: Flüchtlinge arbeiten laut IAB vor allem in Hotels, Restaurants, bei Reinigungsfirmen und in der Pflege - Branchen, in denen die Nachfrage nach Arbeitskräften weiter hoch ist. "Wenn es eine Konkurrenz gibt, dann mit anderen schon in Deutschland lebenden Ausländern".
Höchstens Geringqualifizierte, die noch am ehesten in Wettbewerb mit Migranten treten, müssen sich sorgen. Ihre Jobperspektive hat aber nur wenig mit den Neuankömmlingen zu tun. Viele sind langzeitarbeitslos und finden trotz derzeit brummender Konjunktur keine Arbeit - obwohl sie deutsch sprechen. Auch den Mindestlohn wollen bisher weder Arbeitgeber noch Politiker antasten, um Flüchtlingen einen Kostenvorteil zu verschaffen.
Ein Problem ist die hohe Zahl von Flüchtlingen dagegen auf angespannten Wohnungsmärkten. Einige Kommunen haben Mietern gekündigt, weil sie ihre Wohnungen für Flüchtlinge brauchen. Die Migranten verschlimmern dabei aber nur ein Problem, was es lange vor ihrer Ankunft gab: In beliebten deutschen Großstädten wie Berlin gibt es zu wenig bezahlbare Wohnungen. In gewisser Hinsicht geht der Staat dieses Problem erst dank ihnen an: Im kommenden Jahr will der Bund 500 Millionen Euro mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren.
Quelle: n-tv.de
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