FlüchtlingeUndankbare Asylbewerber? Landesminister widersprechen
Die Flüchtlinge würden immer anspruchsvoller, behauptet der Innenminister. Sie beschwerten sich über das Essen und die Unterkunft. Das bleibt nicht unwidersprochen.
02.10.2015
© DPAInnenminister Thomas de Maiziere über neu eingereiste Flüchtlinge: „Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren.“
Mit seiner Klage über undankbare Flüchtlinge erfährt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Kritik und Zustimmung zugleich. De Maizière hatte am Donnerstagabend im ZDF gesagt, die Stimmung unter den Flüchtlingen habe sich verändert. Einige stellten anmaßende Forderungen, äußerten Kritik und würden gewalttätig. Darauf entgegnete die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) am Freitag, die meisten neu ankommenden Flüchtlinge in Bremen zeigten sich nach wie vor dankbar für die Hilfsbereitschaft der Deutschen. Eine neue Anspruchshaltung sei nicht zu erkennen. „Wir hatten schon immer Menschen hier, die sich beklagt haben über die Lebensverhältnisse, die sie hier vorfinden - auch zu Zeiten, als die Unterbringungssituation deutlich entspannter war“, sagte Stahmann. „Das hat mehr mit dem Einzelnen selbst zu tun als mit der objektiven Situation.“
Überdies habe sich die Unterbringungssituation in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert, so Stahmann. „Wir sind inzwischen gezwungen, Menschen in Turnhallen unterzubringen, ohne Trennwände, die Matratzen einfach auf dem Boden, das sind Lebensbedingungen, die auch zu Recht kritisiert werden.“ 80 Prozent der Flüchtlinge kämen aus Syrien, sagte Stahmann weiter. „Hinter deren Flucht steckt keine Armutsmigration - auch der finanziell gut abgesicherte Mittelstand verlässt das Land.“
„Sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt“
Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) teilte de Maizières Beobachtung, wonach manche Flüchtlinge unregistriert abtauchen. „Der Bundesinnenminister hat recht“, sagte Neumann am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Das Phänomen sei aber nicht neu.
Aus dem Umfeld des Senators hieß es, es komme immer wieder vor, dass Flüchtlinge in eine Erstaufnahme kämen und dort eine Nacht blieben, um dann unregistriert zu verschwinden. Anders als von de Maizière wird dieser Umstand aber nicht als ein „richtiges Problem“ bewertet. Die Mehrheit der Flüchtlinge lasse sich registrieren. Andernfalls bekämen sie auch keine Hilfe.
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De Maizière hatte in der Sendung „heute journal“ am Donnerstagabend von einer großen Zahl unregistrierter Flüchtlinge in Deutschland gesprochen und sie als „ernstes“ Problem bezeichnet. „Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein. Sie haben gefragt: Wo ist die Polizei, wo ist das Bundesamt, wo verteilt Ihr uns hin?“ Das habe sich seither geändert. „Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen“, sagte de Maizière. „Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen.“ Das sei zwar noch eine Minderheit, gestand de Maizière. „Aber da müssen wir klar sagen: Wer hier nach Deutschland kommt (...), der muss sich dahin verteilen lassen, wohin wir ihn bringen, sich einem fairen Verfahren unterstellen und unsere Rechtsordnung anerkennen.“ Tatsächlich seien die Unterkünfte nun überfüllt, „aber ehrlich gesagt: Das geht nicht anders. Und da muss ich einfach alle um Geduld bitten. Unsere Standards sind so, wie sich alle Mühe geben. Man kann die Bürgermeister und die Landräte nur loben, dass sie es überhaupt so hinkriegen.“ Kritik an überfüllten Einrichtungen verstehe er, sagte de Maizière, sie sei aber „unangemessen“.
Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) warnte am Freitag vor einer Neiddebatte. Über de Maizières Äußerungen sagte Lauinger, so würden lediglich Vorurteile geschürt. Seiner Ansicht nach mag es Fälle gegeben haben, in denen Flüchtlinge mit dem Taxi gefahren sind. „Aber dabei handelt es sich um absolute Ausnahmefälle - und die entsprechen dem Recht auf Freizügigkeit, das im Grundgesetz verankert ist.“ Die Diskussion gehe deshalb an den eigentlichen Herausforderungen vorbei. Es sei wichtiger, Versorgung, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zu sichern. „Im Vergleich zu diesen dringlichen Aufgaben sind die Taxifahrten tatsächlich eine Nebensache“, sagte Lauinger.
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