http://derstandard.at/1381374334911/Snowden-nach-Deutschland
Ströbele:
"Snowden nach Deutschland"
INTERVIEW | BIRGIT BAUMANN
22. November 2013, 20:56
·
foto: ap/sohn
Der Grüne Hans-Christian Ströbele will Aufklärung.
·
Der deutsche Grüne hat einen Verdacht: Die
Regierung wolle die NSA-Affäre nicht aufklären, weil deutsche Dienste
involviert seien
Edward Snowden soll in Deutschland Klarheit schaffen. Mit Hans-Christian
Ströbele sprach Birgit Baumann.
·
MEHR ZUM THEMA
·
SERVER:verlässliche Services
von next layer
·
WASHINGTON:Günstig hin &
retour: austrian.com
·
Werbung
STANDARD: Edward Snowden hat Sie in Moskau wissen lassen, dass er in
Deutschland aussagen würde. Aus seinen Dokumenten erfuhr Kanzlerin Angela
Merkel vom Abhören ihres Handys durch die USA. Kann noch Schlimmeres kommen?
Ströbele: Snowden, der im Übrigen gesund und munter ist, war seit dem Jahr 2005
bei der CIA, der NSA und der DIA (Defence Intelligence Agency). Er kann viele
Dokumente erklären, was etwa die ganzen Abkürzungen darin bedeuten. Er weiß
außerdem um die Zusammenhänge.
STANDARD: Was würden Sie ihn denn gerne fragen?
Ströbele: Deutsche Minister betonen die ganze Zeit, dass sie davon ausgehen,
dass die NSA in Deutschland keine deutschen Kommunikationsdaten abschöpft. Das
könnte sogar richtig sein. Aber die Daten von Deutschen gehen ja über die
Server in den USA. Ich will von Herrn Snowden wissen, ob die NSA die Daten in
den USA von den großen IT-Unternehmen abgreift.
STANDARD: Die Bundesregierung zeigt Snowden allerdings die kalte Schulter.
Ströbele: Frau Merkel bedankt sich nicht mal, obwohl sie ohne ihn gar nicht
wüsste, dass ihr Handy abgehört worden ist. Ich finde, dass er nach Deutschland
kommen und hier dauerhaft bleiben soll. Rechtlich wäre dies möglich. Es stimmt
nicht, dass er kein Asyl bekommen könnte, wie es Innenminister Hans-Peter
Friedrich (CSU) erklärt. Snowden ist politisch Verfolgter in den USA.
STANDARD: Auch das Interesse im Bundestag scheint nicht überragend groß zu
sein.
Ströbele: Man muss genau hinhören. Die Abgeordneten jener Parteien, die
vermutlich die nächste Bundesregierung stellen werden (Union und
Sozialdemokraten, Anm.), sagen: Derzeit ist das kein Thema. Noch ist der
Untersuchungsausschuss ja nicht eingesetzt. Aber in drei Monaten könnte er
arbeitsfähig sein.
STANDARD: Ist aus Ihrer Sicht schon irgendetwas an der NSA-Affäre in Deutschland
aufgeklärt?
Ströbele: Gar nichts. Es ist skandalös, wie die Bundesregierung mit dem
NSA-Skandal umgegangen ist. Bis bekannt wurde, dass Merkels Handy abgehört
wurde, hat man geleugnet, dass es überhaupt ein Problem gibt. Die USA haben bis
heute keine Fragen beantwortet. Wie kann ein souveräner Staat sich das gefallen
lassen?
STANDARD: Wie würden Sie als Innenminister handeln?
Ströbele: Ich würde die Angelegenheit in Washington mit deutlichen Worten zu
Sprache bringen. Aber das traut sich keiner. Wir wissen ja nicht einmal, ob
fünf Millionen oder 80 Millionen Deutsche abgehört werden und was da alles
gespeichert wird.
STANDARD: Könnte Snowden ein Druckmittel für Merkel sein?
Ströbele: 60 Prozent der Deutschen finden, Snowden sei ein Held. Also könnte
Frau Merkel in den USA sagen: Entweder klärt ihr auf oder wir holen Herrn
Snowden zu uns nach Deutschland. Ich stelle ja auch mit einer gewissen
Befriedigung fest, dass die Kritik im US-Kongress ebenfalls lauter geworden
ist.
STANDARD: Will es sich Merkel bloß nicht mit den USA verscherzen?
Ströbele: Das ist sicher ein Grund. Aber ich glaube, es gibt noch einen
anderen: Die Bundesregierung fürchtet, wenn die Fakten wirklich auf den Tisch
kommen, dass dann ihre These, wonach weder sie noch die deutschen Dienste etwas
vom Lauschen wussten, noch weniger haltbar ist. Wir haben ja die Befürchtung,
dass die deutschen Dienste davon profitiert haben, dass sie von der NSA
Informationen bekommen, die sie selber nicht erheben dürfen.
STANDARD: Kann Geheimdienstarbeit überhaupt sauber funktionieren?
Ströbele: Man kann Einschränkungen und Kontrollen machen. Deutschland wurde
sogar mal von einem EU-Untersuchungsausschuss gelobt für seine relativ
weitgehenden Regelungen. Leider funktioniert das unzulänglich, wenn ausländische
Dienste im Spiel sind. Daher setze ich mich für eine bessere Zusammenarbeit der
Parlamente in Europa und den USA ein, um eine wirksamere Kontrolle von
Geheimdiensten zu erreichen. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 23.11.2013)
Hans-Christian Ströbele, 74, hat in den Siebzigerjahren als Rechtsanwalt
Mitglieder der RAF verteidigt. 1990/91 war er Sprecher der Grünen Partei,
danach in der Berliner Kommunalpolitik tätig. Seit 1998 ist er
Bundestagsabgeordneter und der einzige direkt gewählte Mandatar der Grünen im
deutschen Parlament. Er ist dort im Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKG)
vertreten.
Zum Thema
·
Aktuelles Wetter in Deutschland
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen