Montag, 28. März 2016

Gottes Gastarbeiter in Deutschland

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EDER ZEHNTE PRIESTER IN KATHOLISCHEN GEMEINDEN DES BISTUMS OSNABRÜCK STAMMT AUS SÜDINDIENGottes GastarbeiterOsnabrück. Wenn deutsche Katholiken in der Osternacht Gottesdienst feiern, sehen viele einen Priester aus Indien am Altar – auch im Bistum Osnabrück: Hier stammt gut jeder zehnte Gemeindeseelsorger aus dem südindischen Kerala. Dort verkündeten einst europäische Missionare das Christentum, jetzt ist es umgekehrt. In Kerala strömen junge Männer in die Priesterseminare, während deutsche Diözesen unter dramatischem Nachwuchsmangel leiden.„Alles ist fremd für mich: Sprache, Kultur, Wetter“, räumt Joby Thomas (36) ein und lächelt. Erst seit Februar gehört der Pastor zur Pfarreiengemeinschaft St. Matthäus in Melle. Mit Pfarrer, Kaplan, Diakon und Gemeindereferenten bildet er ein Seelsorge-Team.Die deutsche Sprache fällt ihm noch schwer. Er wechselt daher während des Gesprächs ins Englische, das ist ihm vertrauter. Seit Juni 2011 lebt der Priester in Deutschland. Wie alle Geistlichen und Ordensfrauen aus Indien hat Joby Thomas erst monatelang in der Akademie Klausenhof am Niederrhein Vokabeln und Grammatik gepaukt, dann folgten drei Monate Praktikum in der Osnabrücker Pfarrei St. Elisabeth. In dieser Zeit bestand er auch die Führerschein-Prüfung. „Es war schwierig“, sagt Thomas und lacht wieder.Eine systematische Einführung von Bistumsseite unterblieb. Gut, dass ihn eine engagierte Frau aus der Elisabeth-Gemeinde unterstützte, mit zu Behörden ging, ins Alltagsleben einführte. Am Ende des Praktikums hielt er seine erste Predigt. – Jeder zehnte Priester in katholischen Gemeinden des Bistums Osnabrück stammt aus Südindien: Gottes Gastarbeiter | noz.de - Lesen Sie mehr auf: http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/270727/gottes-gastarbeiter#gallery&0&0&270727Nach wie vor schlägt er häufig im Wörterbuch nach. Auch die Grammatik liegt griffbereit auf dem Schreibtisch. Weiterhin feilt der Geistliche an der Aussprache. Lehrer unterstützen den Meller Pastor, korrigieren seine Predigten. Ehrenamtlich. „Die Leute hier sind sehr freundlich“, stellt Thomas fest.In seiner Heimat, der Südwestküste Indiens, leben die sogenannten Thomaschristen (siehe Kasten). Dort wirkte der 36-Jährige bereits mehrere Jahre als Pfarrer. Er wohnte auf dem Land, machte viele Haus- und Krankenbesuche, betete täglich abends mit Familien den Rosenkranz, und wer in Kerala katholischer Priester wird, übernimmt als gefragter Mann soziale Aufgaben.
„Wir lösen viele Probleme“, sagt der Pastor, der ein Waisenhaus für Mädchen leitete. „Wir helfen den armen Leuten.“ Weil er neue Erfahrungen im Ausland sammeln wollte, sprach er seinen Bischof in Tellychery an. Nun möchte er zehn bis 15 Jahre in Deutschland bleiben.Geistliche aus anderen Ländern füllen in vielen deutschen Bistümern die Lücken: Bundesweit sind rund 1600 Priester aus dem Ausland in Deutschland tätig; mehr als die Hälfte stellen die Herkunftsländer Indien und Polen. Offiziell begrüßt die katholische Kirche den internationalen Einsatz und Austausch, zumal viele Gemeinden seit langer Zeit Partnerschaften zu Christen in Asien, Afrika und Lateinamerika unterhalten.„Wir möchten gerne positiv Weltkirche in unserer Lokalkirche gestalten“, formuliert es Theo Paul, Generalvikar des Bistums Osnabrück. Zugleich sei die katholische Kirche in Deutschland wegen der demografischen Herausforderungen auf theologisch-pastorale Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Zuwanderung aufgrund von Fachkräftemangel also auch hier, zumal im Bistum Osnabrück jährlich nur ein bis zwei Männer zum Priester geweiht werden.„Wir können von den Christen aus Indien lernen, dass Wissenschaftlichkeit und Glaube zusammengehen“, sagt Paul, lobt das qualifizierte Studium in Indien und sieht es als Vorteil, dass Priester aus Indien in einer religiösen und kulturellen Minderheit aufwachsen, weil in ihrer Heimat katholische, orthodoxe und protestantische Christen lediglich 2,3 Prozent der Bevölkerung bilden. Der interreligiöse Dialog mit Hindus und Muslimen sei ihnen vertraut. Paul hat auch rund 90 Ordensschwestern aus Indien für die Kranken- und Altenpflege geholt, er kann sich den Einsatz von Indern als Lehrer und in weiteren Berufen vorstellen. Der Generalvikar spricht von Verträgen mit Ordensgemeinschaften „auf Augenhöhe“.Hauptpartner des Bistums sind die indischen Karmeliter (Carmelites of Mary Immacualate – CMI), ein großer Männerorden mit eigener theologischer Hochschule in Bangalore. Arbeitet ein Geistlicher des Ordens für das Bistum, geht der Großteil des Gehalts an den Orden, der es für die Mission weltweit nutzt, etwa in Kenia, Madagaskar, Peru, Argentinien oder Großbritannien.Den Karmelitern gehört auch Pater Lucas Vallikattukuzhy an, der Pastor im emsländischen Heede ist. Vor elf Jahren kam er nach Deutschland, sein Ordensoberer hatte ihn gefragt. „Nicht zwangsweise“ sei er gekommen, betont der 44-Jährige ausdrücklich. „Das Wort Germany kannte ich gut – aber ich wusste nicht, was Deutschland ist.“ Nach dem Sprachkurs am Niederrhein waren Nordhorn und Haselünne seine ersten Stationen. Sechs Jahre wirkte er als Kaplan in Flachsmeer und Rhauderfehn in Ostfriesland. „Das war eine goldene Zeit für mich“, auch weil er viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun hatte.115 Mädchen und Jungen bereitete er auf die Erstkommunion vor. „Mein Gott, ohne Sprache“, blickt Pater Lucas lachend zurück. Zuerst hat er alles abgelesen, dann wurde er langsam immer spontaner. Inzwischen hat er, wie er meint, „null Schwierigkeiten“, wenn er eine Predigt hält.Pater Lucas ist im Priesterrat des Bistums Osnabrück Ansprechpartner für die rund 20 indischen Karmeliterpatres, die einmal im Monat in Gehlenberg zusammenkommen. Deren Durchschnittsalter ist niedrig und liegt bei 37 Jahren, wie Pater Lucas sagt.Der Pastor sieht seine Arbeit in Deutschland rundum positiv, und das deckt sich mit dem Fazit einer Studie über ausländische Priester, mit der 2007 die Deutsche Bischofskonferenz das Institut für Christliche Sozialwissenschaften in Münster beauftragt hatte. Professor Karl Gabriel und zwei Mitarbeiter hatten die Geistlichen befragt. Ergebnis: Die in Deutschland tätigen Priester aus Polen, Indien oder Afrika zeichnen überwiegend ein harmonisches Bild von ihrer Gemeindearbeit.Theologieprofessor Gabriel hingegen beschreibt es aus deutscher Sicht nüchterner. Der systematisch und längerfristig betriebene Einsatz ausländischer Priester, meint er, sei „nicht dazu in der Lage, das drängende Problem des Priestermangels angemessen zu lösen“. Das Risiko des Scheiterns sei hoch. Ein Königsweg sei der Einsatz nicht, vor allem wegen der hohen Anforderungen an die Kommunikation und an Leitungsfähigkeiten in Pfarrgemeinden. Zumal es Gottesdienstteilnehmer oft schwerfällt, ihren Pastor überhaupt zu verstehen.„Die Sprachfähigkeit ist ein bleibendes Problem, das wir nicht so richtig lösen können“, gesteht Ansgar Lüttel, Personalreferent des Bistums Osnabrück. „Man muss sich auf den Slang einhören.“An den Priestern aus Kerala schätzt Lüttel, dass sie eine „angeborene Bescheidenheit“ mitbringen. Wie gut eine Kirchengemeinde mit ihrem Pastor aus Indien klarkommt, hängt nach seiner Ansicht vor allem von der Bereitschaft ab, sich auf ihn einzulassen. Kein Problem beim fröhlichen Pater Lucas: Als er Ostfriesland verließ, wollten ihn die Gläubigen nur ungern ziehen lassen. – Jeder zehnte Priester in katholischen Gemeinden des Bistums Osnabrück stammt aus Südindien: Gottes Gastarbeiter | noz.de - Lesen Sie mehr auf: http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/270727/gottes-gastarbeiter#gallery&0&0&270727

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