Sonntag, 11. Januar 2015
Suche nach Antworten auf AttentatJetzt erst recht zu Pegida?
Der Westen ist bedroht, die Gewalt des Islamismus ist so nahe wie lange nicht mehr. Darum ist gerade jetzt nicht die Zeit, gegen Islamisierung auf die Straße zu gehen.
In Europa gibt es ein Problem mit gewaltbereiten Islamisten. In Deutschland wollte die Sauerland-Gruppe 2007 US-Einrichtungen in Deutschland attackieren. 2012 schüchterten Salafisten Demonstranten und Polizisten ein, verletzten Menschen und versuchten Anschläge. Menschen aus Deutschland ziehen im Nahen Osten in den Dschihad, einige von ihnen kehren zurück – radikalisiert und im Kampf geschult. Dass der Anschlag gegen "Charlie Hebdo" in Paris und nicht in Berlin stattfand, spielt kaum eine Rolle: Er zeigt, dass der Westen bedroht ist.
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Es braucht Antworten auf diese Bedrohung. Vielleicht muss man gewaltbereite Menschen daran hindern, Deutschland zu verlassen. Vielleicht muss man sie aber auch aus dem Land ausweisen oder an der Rückreise hindern, sobald sie einmal weg sind. Das ist nur eine Debatte, die im vergangenen Jahr geführt wurde. Sie zeigt beispielhaft: Die Antworten auf terroristische Bedrohungen sind nicht leicht zu finden.
Ein Ziel haben die Terroristen schon erreicht – sie haben Angst verbreitet. Und in der Angst flüchten sich viele Menschen in einfache Antworten. Eine mögliche Antwort wäre: Wer uns bedroht, den bedrohen wir auch.
Ob es so gemeint ist, oder nicht – wer Asylbewerber unter Generalverdacht stellt, der droht. Wer nicht zwischen der Religion namens Islam und dem Fanatismus namens Islamismus unterscheidet, der droht. Wer angesichts von Flüchtlingsströmen zu Tausenden vor einer "Islamisierung" warnt, der droht. Wer auf die Probleme hinweisen möchte, die durch Zuwanderung entstehen, sollte das differenziert, ruhig und mit dem notwendigen Respekt gegenüber anderen tun.
Rechtsextreme werden Salafisten nie von ihrer Meinung abbringen können. Genauso wenig wie es Salafisten schaffen können, Rechtsextreme von ihrer Meinung abzubringen. Radikal zu werden, harte Töne gegen Muslime anzuschlagen, jetzt auf besondere Konsequenzen gegen straffällige Asylbewerber zu pochen, wird das Problem des gewalttätigen Islamismus nicht lösen, sondern höchstens verhärten. Denn es vermittelt den Muslimen, dass sie nicht dazu gehören, dass sie schon wegen ihrer Religion kein Teil der Gesellschaft sein können. Wer meint, dass er gerade jetzt mit Pegida auf die Straße gehen sollte, liegt gerade jetzt genau falsch.
http://de.wikipedia.org/wiki/Patriotische_Europ%C3%A4er_gegen_die_Islamisierung_des_Abendlandes
Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA oder Pegida) ist ein deutscher Verein, der eine Islamisierung Deutschlands und Europas erwartet und ablehnt. Seine führenden Mitglieder organisieren seit dem 20. Oktober 2014 wöchentliche Demonstrationen in Dresden gegen eine aus ihrer Sicht verfehlte europäische und deutsche Migrations- und Asylpolitik. Ähnliche Demonstrationen finden auch in einigen anderen deutschen Städten statt.
Ob mit Pegidas Initiatoren und Teilnehmern ein Dialog geführt werden kann und soll oder nicht, wird kontrovers diskutiert. Sozialwissenschaftler beurteilen die Teilnehmer teils als bürgerlich-konservativ, teils als rechtspopulistisch bis rechtsextrem. Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vertreter vonReligionsgemeinschaften und weitere Organisationen warnen vor Fremdenfeindlichkeit, teilweise auch vor Rassismus, die von diesen Demonstrationen ausgingen. Zugleich fordern Wissenschaftler, Politiker und Journalisten eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Themen innere Sicherheit, Einwanderungs- und Integrationspolitik sowie demokratische Teilhabe..
....... Bachmann
betont, Pegida sei nicht rechtsextrem, und verweist auf das Versammlungsgesetz,
das jedem die Teilnahme erlaube.[17] Den Zuwachs an Teilnehmern
begrüßte Bachmann am 8. Dezember auf der Pegida-Webseite mit dem Satz
„Deutschland erwacht, wir werden jeden Tag mehr!...“.[18]
Laut Gordian Meyer-Plath (Verfassungsschutz
Sachsen) gibt es Hinweise auf Verbindungen zwischen Veranstaltern und
Fußball-Hooligans. Der Verdacht habe sich jedoch bisher nicht bestätigt.
Offiziell beobachte man Pegida nicht. Die Abgrenzung der Veranstalter nach
rechts erscheine ernsthaft, und die Rechten würden bisher nicht von den
Demonstrationen profitieren. Die Zeit (17. Dezember) bezweifelte
dies mit dem Hinweis, dass Mitveranstalter Siegfried Däbritz zuvor bei HoGeSa
aktiv gewesen sei und am 3. Oktober auf Facebook deren
inhaltliche Nähe zur deutschen „Identitären Bewegung“ und
der German Defence Leaguefestgestellt
habe.[19]
Demonstrationen
In Dresden
Die erste Demonstration am 20. Oktober 2014 stand
unter dem Motto „Gewaltfrei und vereint gegen Glaubens- und
Stellvertreterkriege auf deutschem Boden“ und erreichte 350 Teilnehmer. Deren
Zahl wuchs bei jeder folgenden Demonstration, bis zum 5. Januar 2015 nach
Polizeiangaben auf grob geschätzte 18.000.[30]Beobachter halten die Angaben zum
15./22. Dezember und 5. Januar für zu hoch, da beim Abschluss weit weniger
Teilnehmer als beim Auftakt der Kundgebungen gewesen seien.[31]
Demonstranten reagierten auf Pressearbeit vor Ort
regelmäßig mit Sprechchören wie „Lügenpresse, Lügenpresse!“ oder „Lügenpresse,
halt die Fresse!“[3][32] und „Volksverräter“ für
Politiker.[33][34] Die rechtsextreme NPD in
Mecklenburg-Vorpommern begrüßte diese Sprechchöre als „unbewusstes“ Aufgreifen
von „NPD-Sprachgebrauch“ und Ergebnis der eigenen „Volksaufklärungsarbeit“.[35] Der Kampfbegriff „Lügenpresse“
stammt aus der Völkischen Bewegung des
19. Jahrhunderts und richtete sich in der NS-Propaganda der 1930er und 1940er Jahre
gegen Kommunisten und Juden.[36] Auch die Ausdrücke
„Volksverräter“[37] und „Systempresse“ (ebenfalls
bei Pegida-Teilnehmern üblich) verwendeten die Nationalsozialisten.[38]
Am 1. Dezember nahmen Udo Voigt, Frank Franz und Holger Szymanski, führende NPD-Vertreter, an
der Pegida-Kundgebung teil. Danach riefen sie ihre Parteianhänger zur weiteren
Teilnahme auf. Auch Christian Worch,
Gründer und Leiter der rechtsextremen Splitterpartei Die Rechte, rief ab 1. Dezember dazu auf:
„HOGESA in Köln und Hannover, Pegida in Dresden oder die Montagsdemonstrationen
,Nein zum Heim’ in Berlin beweisen, dass der gewöhnliche Bürger keine Angst
mehr vor dem Schulterschluss mit radikaleren Kräften hat.“[39] Nach Polizeiangaben beteiligen
sich bisher einige hundert gewaltbereite Hooligans an den Kundgebungen.[40] Nach Augenzeugen wurde ein
Journalist, den man erkannte, von einem Ordner angegriffen und als „Judenschwein“ beschimpft. Ein Dresdner
Redakteur wurde von Kundgebungsrednern namentlich genannt.[41]
Bei der elften Kundgebung am 5. Januar 2015 wurden
Parolen wie „Sachsen bleibt deutsch“ und „Merkel muss weg“ gezeigt.[42] Unter den Teilnehmern waren
die „Bürgerrechtsbewegung
Solidarität“, die „Reichsbürgerbewegung“
und weitere Gruppen, die Verschwörungstheorien und Antiamerikanismus vertreten, etwa indem
sie die USA für
die Flüchtlingsströme der Welt verantwortlich machen.[43] Einige Hooligans versuchten
mit Rufen wie „Zecken klatschen“ erfolglos, die Polizeikette zu durchbrechen,
um die Gegenkundgebung zu erreichen.[37] 18 „Identitäre“ drangen
während der Kundgebung in das Gebäude des Sächsischen Landtags ein. Gegen sie
wird wegen Hausfriedensbruchs ermittelt.[44] Die German Defence
League und der islamfeindliche Internetblog Politically Incorrect rufen
mit einem „Propagandaclip“ zur Teilnahme an Pegidakundgebungen auf.[45]
Zur zwölften Kundgebung am 12. Januar 2015 sollen
die Teilnehmer mit Trauerflor für die Opfer des Mordanschlags
auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ in Paris (8. Januar 2015)
erscheinen.[46]
In anderen
deutschen Städten
Video: Abschaltung der Beleuchtung
des Kölner Domes als Protest gegen die Kögida-Demo am 5. Januar 2015
Ab Dezember 2014 entstanden weitere lokale
Initiativen, die sich als Teil einer Pegida-Bewegung verstehen, ähnlich
bezeichnen und vom Dresdner Verein zum Teil mit beworben und anerkannt werden.[47]
Bogida (Bonn) wurde nach
Medienberichten von Aktivisten der rechtsextremen Splitterpartei Bürgerbewegung pro
NRW (Melanie Dittmer) und HoGeSa (Karl-Michael Merkle) gelenkt.[48][49]
Dügida (Düsseldorf) wurde von Alexander Heumann
gegründet, der im November 2014 bei der HoGeSa-Kundgebung in Hannover redete,
der islamfeindlichenBürgerbewegung
Pax Europa vorsteht und die „Patriotische Plattform“ (rechter
Flügel der AfD in Nordrhein-Westfalen) leitet.[50] An Dügida und Kagida (Kassel) nehmen nach Erkenntnissen der Bundesregierung auch
Aktivisten der rechtsextremen Parteien „Die Rechte“, NPD und „Pro NRW“ teil.[51]
An den Demonstrationen der Ableger beteiligten
sich jeweils nur einige hundert Personen. Zudem demonstrierten weit mehr
Menschen dagegen.[48][52]
Nach einer von Gegnern verhinderten Kögida-Demonstration
in Köln von etwa 300 Personen am 5. Januar
2015[53] ersetzten die Veranstalter („Pegida-NRW“)
ihre bisherige Pressesprecherin Melanie Dittmer durch Sebastian Nobile. Dieser
ist langjähriges Mitglied der islamfeindlichen und rechtsextremen German
Defence League. „Pegida-NRW“ will künftig nur noch in Düsseldorf
demonstrieren.[54] Nobile erklärte am 9. Januar,
alle für den 14. Januar als Kögida, Bogida und Dügida angemeldeten
Veranstaltungen seien gegen den Willen von „Pegida NRW“ von Melanie Dittmer und
anderen Akteuren von „Pro NRW“ „gekapert“ worden. Man distanziere sich von
solchen Alleingangsversuchen.[55]
Bärgida in Berlin wurde vom Verein Patrioten e.V. von
Karl Schmitt gegründet und von Pegida anerkannt. Schmitt war früher im
Bundesvorstand der Partei „Die Rechte“ und in der „Bürgerbewegung Pax Europa“
aktiv.[56] 400 Anhänger der zweiten Bärgida-Demonstration
am 5. Januar 2015 wurden von 5.000 Gegnern am Abmarsch gehindert.[57]
Legida in Leipzig wurde von Felix Koschkar (AfD)
gegründet, der auch die islamfeindlichen und rechtsextremen „Identitären“
vertritt und die „Patriotische Plattform“ mitgründete. Der Islamwissenschaftler Hans-Thomas
Tillschneider, Mitglied im Landesvorstand der AfD Sachsen, sieht
sich als Berater.[58]
Forderungen
Ab November 2014 trugen die Veranstalter bei den
Kundgebungen Forderungen vor, die auf Flugblättern verteilt wurden, darunter:
·
eine
gesteuerte Zuwanderung über ein Punktesystem nach dem Beispiel Kanadas,
·
eine
konsequente Abschiebungspolitik,
·
„Null-Toleranz“
gegenüber straffällig gewordenen Zuwanderern,
·
verstärkte
Wiedereinreisekontrollen,
·
Bewahrung
und Schutz „der Identität unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“.[59]
Die letztgenannte Forderung lautete: „Es muss für
uns wieder normal sein, öffentlich die Liebe zu seinem Vaterland zum Ausdruck
zu bringen! Gegen Antipatriotismus!“ Sie erhielt bei der fünften Demonstration
am 17. November den meisten Beifall.[60] Kundgebungsredner forderten
zudem eine Beendigung des „Asylmissbrauchs“[61] und befürworteten die
„Aufnahme von Kriegsflüchtlingen“, nicht aber von „Wirtschaftsflüchtlingen“.[62]
Das am 10. Dezember 2014 veröffentlichte
Positionspapier der Initiative spricht sich aus für:[63]
1. „die Aufnahme von
Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten“ als Menschenpflicht
2. „die Aufnahme des Rechtes auf und
die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz
der Bundesrepublik Deutschland“, ergänzend zum Recht auf Asyl
3. „dezentrale Unterbringung für
Kriegsflüchtlinge und Verfolgte anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen“
4. einen gesamteuropäischen
Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und deren gerechte Verteilung in allen
EU-Staaten durch eine zentrale Erfassungsbehörde
5. bessere Betreuung von Flüchtlingen
durch Sozialarbeiter
6. ein Asylverfahren analog
zur Schweiz und den Niederlanden und die Mittel für das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge zu erhöhen, um das Verfahren zu
verkürzen und die Integration früher zu beginnen
7. mehr Mittel für die Polizei und
gegen Personalabbau bei selbiger
8. „die Ausschöpfung und Umsetzung der
vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung“
9. „eine Null-Toleranz-Politik
gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten“
10. „Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische
Ideologie, aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime“
11. „Zuwanderung nach dem Vorbild der
Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas“
12. „sexuelle Selbstbestimmung“
13. „die Erhaltung und den Schutz
unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur“
14. „die Einführung von
Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz“
Abgelehnt werden:
15. „das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichten
in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte,
Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.“
16. „Waffenlieferungen an
verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z. B. PKK“
17. „dieses wahnwitzige 'Gender Mainstreaming',
auch oft 'Genderisierung' genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch
korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache“
18. „Radikalismus, egal ob religiös
oder politisch motiviert“
19. „Hassprediger, egal welcher
Religion zugehörig“
Das Papier wurde bisher bei keiner Kundgebung
verlesen. Darin fehlen der Begriff „Islamisierung“ und die Forderung auf
Bannern „gegen Glaubenskriege und für die Meinungsfreiheit“. Es wurde als teilweise
Zurücknahme früherer Forderungen und als Versuch gedeutet, sich vor einer
Vereinnahmung durch Rechtsextremisten zu schützen.[64]
Bachmann kritisierte am 15. Dezember neben der
Integrationspolitik die „unsägliche“ Renten- und Sozialpolitik, eine
„Kriegstreiberei“ der Bundesregierung und Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Plakate forderten unter anderem
„Frieden mit Russland“ und „Putin,
hilf uns!“.[33][65] Der Publizist Udo Ulfkotte behauptete in seiner
Kundgebungsrede am 5. Januar 2015: Die Islamisierung in Deutschland sei längst
Realität. Muslime genössen „überall Sonderrechte“. Die Medien lenkten den
„wachsenden Wutstau“ im Inland gezielt gegen Russland, obwohl „die USA die
Ukraine-Krise vorsätzlich geschürt“ hätten. Deutschland sei kein souveränes
Land, sondern Büttel der US-Kriegspolitik. – Weitere Sprecher beriefen sich auf Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky und Henryk Broder.[66]
Zeitgeschichtlicher Kontext
Einige Berichte bringen die Pegida-Kundgebungen
hinsichtlich ihrer Motive und Teilnehmer mit anderen Ereignissen von 2014 in
Zusammenhang:
·
den
„Montagsmahnwachen“,
die seit März 2014 gegen „Kriegsrhetorik“ gegenüber Russland im aktuellen Ukraine-Konflikt demonstrierten,
·
den
Wahlerfolgen der Partei Alternative für
Deutschland (AfD) im August 2014, die mit Wahlkampfthemen wie Asylmissbrauch und Ausländerkriminalität in
die Landtage von Sachsen, Brandenburg und Thüringen einzog,
·
den
Treffen der etwa 4.000 Hooligans am 26. Oktober 2014 in Köln und 15. November
in Hannover. Ihr Motto „Hooligans gegen Salafisten“ gilt als Chiffre für
gewaltbereite Islam- und Ausländerfeindlichkeit.[67]
·
der
„Friedenswinter“-Demonstration am 13. Dezember 2014 vor dem Bundespräsidialamt
in Berlin. Dort forderten Akteure der Friedensbewegung der 1980er Jahre mit
Akteuren der „Montagsmahnwachen“ zusammen eine Annäherung an Russland und
Abkehr von der NATO.
Als gemeinsame Haltung dieser Gruppen sehen die
Berichte eine allgemeine Distanz zu Politikern, etablierten Parteien und
Medien. Diese würden als desinteressiert an der Bevölkerung wahrgenommen.[68]
Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz verwies auf den
zeitgeschichtlichen Hintergrund des Begriffs „Abendland“ im Namen der Initiative: Dieser Kampfbegriff habe immer zur Abgrenzung
von wechselnden Gegnern gedient und sei in den 1950er Jahren erneuert worden.
Seit einiger Zeit werde er im Rechtspopulismus aufgegriffen, um den
Islam auszugrenzen, etwa mit der Wahlkampfparole „Abendland in Christenhand“
der FPÖ von 2009. Die These eines
„christlich-jüdischen“ Abendlands sei eine ahistorische Vereinnahmung des Judentums gegen den Islam.[69]
Reaktionen in Sachsen
Ab 3. November 2014 demonstrierten in Dresden
jeweils einige hundert Personen zeitlich parallel gegen die
Pegida-Kundgebungen. Für den 8. Dezember rief ein breites Bündnis (Kirchen,
Islamisches Zentrum, Jüdische Gemeinde, Ausländerrat, das Bündnis „Dresden
Nazifrei“, Studierendenschaften, die Technische
Universität Dresden und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich) zu einem Sternmarsch in die
Innenstadt auf („Dresden für alle“).[71] Für das Bündnis Dresden
Nazifrei vertritt Pegida „eine rassistische, islamophobe, fremdenfeindliche, völkisch-nationalistische Ideologie“.[72] Der Sächsische Flüchtlingsrat
bescheinigte Pegida in einer von vielen sächsischen Religionsgemeinschaften,
Unternehmen und anderen Organisationen unterzeichneten Erklärung „Hass gegen
den Islam und die Ablehnung der Aufnahme Asylsuchender“. Deren Aufnahme sei
humanitäre Pflicht, Einwanderung sei ein Gewinn. Viele Dresdner lehnten die
„rassistische Mobilisierung“ ab und bejahten eine „weltoffene und auf Akzeptanz
der Verschiedenheiten von Menschen beruhende Gesellschaft“.[73] 9.000 Menschen folgten dem
Aufruf.[74] An den folgenden zwei
Gegendemonstrationen nahmen über 5000 und über 4000 Personen teil.
Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) lud Pegida am 11.
Dezember 2014 zum Dialog in neuen Diskussionsformen ein. Bei konkreten
Veranstaltungen sollten Bund und Land gemeinsam informieren, aufklären und
akute Fragen beantworten.[75] Die Stadt Dresden richtete am
15. Dezember 2014 ein Infotelefon und eine E-Mail-Adresse zum Thema Asyl und
Asylbewerberheime ein,[76] die viele Bürger von Beginn an
nutzten.[77] Nach Absagen von
Pegida-Veranstaltern bezweifelte Orosz am 18. Dezember jedoch deren Interesse
an ernsthaften Antworten auf die selbst gestellten Fragen.[78]
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) lehnte „die üblichen
Antifa-Reflexe“ gegenüber Pegida ab. Er plante seit Ende November 2014 eine
Sondereinheit der Polizei, die gegen straffällige Asylbewerber „durchgreifen“
solle. Das wurde als Zugeständnis an Pegida gewertet.[79] Da Sachsen 2014 relativ viele
Asylbewerber aus Tunesien zugeteilt
wurden, deren Anträge in Sachsen bearbeitet werden, will Ulbig Tunesien im Bund
als sicheres Herkunftsland einstufen lassen.[80] So könnten Asylanträge von
Tunesiern regulär abgelehnt werden, um mehr Platz in Asylbewerberheimen zu
schaffen.[81] Ulbig sah am 20. Dezember kein
Interesse Pegidas an ernsthaften Gesprächen, die ihre Vorwürfe rasch ausräumen
würden. Er vermutete, die Veranstalter wollten den „Mythos“ einer
dialogverweigernden Politik aufbauen, um dann weiter dagegen demonstrieren zu können.[82]
Bischof Heiner Koch betonte am 21. Dezember 2014,
man müsse die Sorgen und Ängste der Demonstranten ernst nehmen um eine
Diskussion und Auseinandersetzung mit diesen Menschen zu ermöglichen und dann
im Gespräch etwas zu verändern. Gleichzeitig erlebt er im Dialog mit
Flüchtlingen, dass diese die Demonstrationen als frontalen Angriff empfinden.
Er bezweifelt außerdem, dass die Demonstranten christlich sind.[83] Es sei eigenartig, dass im
Bundesland Sachsen mit 80 Prozent ungetauften Bürgern „der Rückzug auf das
christliche Abendland betont“ werde. Die Heilige Familie sei auch auf der Flucht gewesen,
so dass die Weihnachtsbotschaft laute:
„Macht denen die Tür nicht zu.“[84]
Kundgebung für Weltoffenheit vor
der Frauenkirche in
Dresden mit 35.000 Teilnehmern (10. Januar 2015)
Stanislaw Tillich warf den Veranstaltern am 21.
Dezember 2014 fehlende Dialogbereitschaft vor. Er empfahl Bürgerdialoge, die es
bereits gebe, und Nutzung sozialer Medien zum Argumentieren anstelle von
Talkshows und Demonstrationen.[85] Die CDU Sachsen will seit 27. Dezember eine
Expertenkommission einberufen, die die Asyl- und Flüchtlingspolitik überprüfen,
Unterschiede zwischen Zuwanderung-, Asyl- und Flüchtlingspolitik definieren,
Integrationsziele und -versäumnisse für die Regierung benennen und Prüfungsverfahren
beschleunigen soll.[81]
Nachdem die Pegida Organisatoren zunächst diverse
Einladungen zu Gesprächen nicht angenommen hatten, kam es am 8. Januar 2015 zu
einem Treffen mit der sächsischen Landtagsfraktion der AfD. Frauke Petry sagte nach dem Gespräch, die
AfD plane keine Zusammenarbeit und habe keine „strategischen Interessen“. Es
gebe aber „inhaltliche Schnittmengen“ zwischen AfD und Pegida. So forderten
beide ein modernes Einwanderungsgesetz, mehr direkte Demokratie, mehr Polizei
und kritisierten das Gender-Mainstreaming.[86]
Am 10. Januar 2015 demonstrierten in Dresden unter
dem Motto Für Weltoffenheit und Toleranz ca. 35.000 Menschen.
Die Veranstalter wollten damit auch ein Zeichen gegen die
Pegida-Demonstrationen setzen.[87][88]
Bundesweite Reaktionen
Zivilgesellschaft
Berlin schaltet Pegida das Licht
aus, 5. Januar 2015. Blick von einer Gegendemo
Demonstration gegen Pegida auf dem Max-Joseph-Platz in München(22. Dezember 2014)
Im Dezember 2014 äußerten sich Kirchenvertreter
auf Bundesebene. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick warf Pegida Rassenhass, das Schüren irrationaler Ängste
und Sammeln diffuser Aggressionen gegen Menschen anderer Kulturen und
Religionen vor. Christen dürften dabei nicht mitmachen. Die Deutsche
Bischofskonferenz (DBK) lehne Pegida „ohne Wenn und Aber“ ab.[89] Der DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx (München) verbot Katholiken
die Teilnahme an Pegida-Demonstrationen nicht, da es keine Papst-Anweisung dazu
gebe.[90] Aber jeder Einzelne solle
überlegen, ob er dabei sein wolle, wo „menschenverachtend gepredigt“ werde.[91] Das Schüren von Hass auf
Andersgläubige sei mit dem Christentum unvereinbar.[92] Auch die Bischöfe Norbert Trelle (Hildesheim) und Gebhard Fürst (Rottenburg-Stuttgart)
übten in ihren Weihnachtsbotschaften 2014 Kritik an Pegida und deren
Forderungen.[93]
Heinrich
Bedford-Strohm (EKD-Ratsvorsitzender) erklärte, die EKD werde
bei pauschalen Angriffen auf eine Religion, Flüchtlinge oder Asylbewerber in
aller Klarheit „Nein“ sagen.[91] Die Solidarisierung von
Vertretern der Partei Alternative für
Deutschland (AfD) mit Pegida besorge ihn.[92] Das Benutzen einer
„sogenannten christlichen Abendlandkultur“ für ausländerfeindliche,
rassistische und menschenverachtende Positionen sei „das genaue Gegenteil von
Christentum“.[94] Zugleich forderte er einen
inhaltlichen Dialog mit Pegida statt einer pauschalen Verteufelung.[95]
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister kritisierte das Singen von Weihnachtsliedern auf der
Pegida-Demonstration vom 22. Dezember als „zutiefst geschmacklos“. Die
intensive Berichterstattung wirke als „Verstärker“.[96]
Josef
Schuster (Zentralrat
der Juden in Deutschland) bezeichnete Pegida als „brandgefährlich“:
„Mit verbalen Attacken fängt es an und mündet in Anschläge wie jetzt in Bayern
auf das geplante Flüchtlingsheim“. Dabei bezog er sich auf einen am 11.
Dezember 2014 verübten Brandanschlag mit Hakenkreuz-Graffitis auf ein bezugsfertiges
Asylantenheim in Vorra.[97] Bei Pegida vermischten sich
„Neonazis, Parteien vom ganz rechten Rand und Bürger, die meinen, ihren
Rassismus und Ausländerhass endlich frei ausleben zu dürfen“. Die Angst vor islamistischem
Terror werde instrumentalisiert, um eine ganze Religion zu
verunglimpfen. Dies sei „inakzeptabel“.[98]
Aiman Mazyek (Zentralrat
der Muslime in Deutschland) sagte (15. Dezember): Rechtsextremisten
zeichneten immer wieder eine „fremdenfeindliche Fratze“ Deutschlands, die gar
nicht da sei.[99] Die Slogans der Demonstranten
zeigten, dass Ausländerfeindlichkeit und antisemitischer
Rassismus salonfähig geworden seien.[100]
Jürgen Micksch (Interkultureller
Rat in Deutschland) beurteilte Pegidas Anführer nicht als Patrioten,
sondern als Rassisten, die Menschenrechte infrage stellten und
Minderheiten diskriminierten. Pro Asyl zufolge versucht Pegida,
Rassismus in politischen Diskussionen zu verankern.[101]
Ulrich Grillo (Bundesverband
der Deutschen Industrie) distanzierte sich scharf von „Neonazis und
Ausländerfeinden“, die sich in Dresden und anderswo versammelten. Es sei nicht
hinzunehmen, dass Pegida die Angst vor dem Islamismus instrumentalisiere, um
den ganzen Islam zu verunglimpfen. Deutschland müsse ein Einwanderungslandbleiben.[102]
Der prominente DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer kritisierte
am 23. Dezember 2014 scharf, dass Pegida Parolen der DDR-Bürgerrechtsbewegung
von 1989 missbrauche. Der Freiheitsruf „Wir sind das Volk“ habe sich damals
gegen die Mächtigen gerichtet und „Dialog mit grundlegender Veränderung
eingefordert und dann auch geführt“. Heute richte sich diese Parole „gegen die
Schwächsten, die Hilfsbedürftigen, die Zuwanderer, die mit Traumen zu uns kommen“.
Ein in eine Deutschlandfahne eingehülltes großes Holzkreuz der
Pegidademonstranten symbolisiere einen „Kreuzzug in den Farben Deutschlands“.
Gleichwohl gebe es in der früheren DDR keine „Grund-Ausländerfeindlichkeit“.
Man dürfe die jährlichen zivilen Proteste am 13. Februar gegen die Rechten in
Dresden nicht vergessen.[103]
Zu Weihnachten 2014 verfassten Reinhard Schult, Thomas Klein und Bernd Gehrke einen „Weihnachtsgruß der
Neunundachtziger“ an Pegida in Gedichtform: „Wir sind das Volk“ habe 1989 „die
Mauer muss weg“ bedeutet, nicht: „Die Mauer muss her am Mittelmeer“: „Jesus hätte gekotzt, wäre er euch
begegnet.“ Pegida schweige über das von Neoliberalismus und Kapitalismus geprägte System, das
Flüchtlingselend verursache (etwa durch Waffenexporte in Bürgerkriegsstaaten
und Klimakatastrophe) und protestiere „gegen die Schwachen“, wage sich aber
nicht an „die Mächtigen“ heran. Die Autoren nannten die Adressaten „Feiglinge“,
die ein „Dunkeldeutschland“ wollten und sich schämen sollten.[104]
Matthias Platzeck (früherer
Ministerpräsident in Brandenburg, SPD) veröffentlichte am 6. Januar 2015 einen
ähnlichen Aufruf („Gegen Ressentiment und Abschottung: Für die Werte von
1989!“), den frühere Bürgerrechtler unterzeichneten. Er betonte, Pegidas
Positionen ließen sich nicht mit der Meinung „des Volkes“ gleichsetzen, und
begrüßte die bundesweiten Gegenaktionen.[105] Er begrüßte Gesprächsangebote
an Pegida als Chance zum Lernen und zum Verdeutlichen einer anderen, nicht von
Vorurteilen geprägten Haltung gegenüber Zuwanderern in Ostdeutschland.[106]
Die Webseite „Pegidawatch“[107] und eine Online-Petition „für ein buntes
Deutschland“ (ab 23. Dezember 2014) wenden sich gegen Pegida.[108] Der Initiator einer Petition
für Pegida schloss diese nach drei Tagen am 28. Dezember 2014 wegen zuvieler
regelwidriger Kommentare wieder.[109] Initiativen gegen Rechtsextremismus in Deutschland äußern
Bedenken, dass Pegida als Pressure-group der AfD zu mehrMedienpräsenz verhelfe.[110]
Französische Karikaturisten gaben ein Flugblatt
mit Karikaturen gegen den Pegida-Trauermarsch am 12. Januar heraus. Sie lehnten
es ab, dass Pegida das Gedenken an die Opfer des Anschlags auf Charlie
Hebdo vereinnahme. Pegida stehe für alles, was diese Opfer bekämpft
hätten.[111]
Gegendemonstrationen
Am 22. Dezember 2014 demonstrierten in München
mindestens 12.000 Menschen gegen Pegida, in Bonn etwa 2.500,[112] in Kassel 2.000, in Würzburg
700;[113] eine Woche später waren es in
München nochmal etwa 300.[114]
Am 5. Januar 2015 demonstrierten bundesweit
geschätzte 30.000 bis 45.000 Menschen gegen Pegida: in Münster (8000—10000),
Stuttgart (8000), Hamburg (5000) und Rostock (800) ohne eine Pegida-ähnliche
Demonstration vor Ort, in München (1500) gegen einen kleineren Pegida-Ableger.
In Köln und Berlin verhinderten etwa je 5000 Gegendemonstranten die Abmärsche
der jeweiligen Pegida-Ableger vor Ort.[115]
Unter dem Motto „Licht aus für Rassisten“ ließen
Gegner Pegidas nach dem Vorbild der Semperoper (Dresden, 22. Dezember 2014)
die Beleuchtung einzelner größerer Gebäude abschalten. Dies betraf in Dresden
die Gläserne Manufaktur,
in Köln den Kölner Dom, Brücken
und weitere Gebäude in der Altstadt, in Berlin das Brandenburger Tor.[116] Die Verdunkelung des Kölner
Doms wurde auch im Ausland beachtet.[117]
Politik
Bundespräsident Joachim Gauck nannte Pegida am 12.
Dezember 2014 „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“ und „nicht so
viel Beachtung“ finden sollten.[118]
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
nannte die Pegida-Demonstrationen „eine Schande für Deutschland“ (14. Dezember).[119] Er erklärte dazu (29.
Dezember): Man dürfe die Demonstranten nicht nur „bemuttern“, sondern müsse sie
an ihre humanitären Pflichten erinnern, mit Fakten und Argumenten
konfrontieren. Pegida sei nicht das Volk, sondern beruhe auch einem „Haufen
plumper Vorurteile“. Das müsse die schweigende Mehrheit klarmachen. Es sei
„komplett absurd, Angst vor Überfremdung zu schüren in einem
Bundesland, in dem man nur mit Mühe überhaupt ausländische Mitbürger findet.“[120]
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) warben am 17.
Dezember für einen Dialog mit den Pegidademonstranten, warnten aber vor
„Schmutzkampagnen“ und „Stimmungsmache gegen Minderheiten“.[121]
Heiner Geißler (CDU) widersprach Maas
(18. Dezember): Die „Furcht vor dem Islam in seinen exzessiven
Erscheinungsformen ist durchaus berechtigt“. Pegida demonstriere gegen die
weltweiten Verbrechen radikaler Muslime, gegen Propaganda für die Scharia und
sogenannte Hassprediger in Deutschland. Dass diese „unter dem Vorwand der
Meinungsfreiheit die Menschen aufhetzen können“, sei nicht nachvollziehbar. Man
müsse entschlossen gegen Islamisten hierzulande vorgehen.[122]
Gregor Gysi (Die Linke) warf allen Bundestagsfraktionen
Versagen vor (18. Dezember): Man habe die Bevölkerung nicht genug darüber
aufgeklärt, dass die meisten Muslime „völlig friedlich und gewaltfrei“ und
gewalttätige Islamisten die Ausnahme seien. Diese Unterscheidung müsse die
Politik überall deutlich machen.[123]
Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen)
lehnte einen Dialog mit Pegidademonstranten ab (22. Dezember). Stattdessen
solle Deutschland die „offene Gesellschaft“ offensiv vertreten.[124]
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)
forderte am 22. Dezember 2014 einen erneuten „Aufstand der
Anständigen“ gegenüber Pegida. Er würdigte Gegendemonstranten in
Dresden und anderen Städten. Die demokratischen Parteien sollten sich klar von
Pegida abgrenzen, wovor sich die konservativen Parteien scheuten.[125]
Bernd Lucke (AfD-Vorsitzender)
fand die Sorgen der Pegida vor einer Ausbreitung islamistischer Ideen verständlich.[126] Alexander Gauland (AfD-Vizevorsitzender)
fand bei seinem Besuch der Pegidakundgebung am 15. Dezember 2014, er könne alle
Forderungen des Positionspapiers unterschreiben.[127] Hans-Olaf Henkel warnte seine Partei AfD
davor, sich den Demonstrationen anzuschließen.[128]
Hans-Peter Friedrich (CSU)
machte den politischen „Mitte“-Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), unter anderem ihr Ja
zur doppelten
Staatsbürgerschaft, für das Erstarken Pegidas und der AfD
mitverantwortlich (28. Dezember). Die Konservativen seien zu leichtfertig mit
der „Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation“ umgegangen.
Die CSU müsse im Parteienspektrum wieder die rechte Flanke abdecken.[129]
Angela Merkel hatte am 15. Dezember erklärt, in
Deutschland sei „kein Platz für Hetze und Verleumdung“, besonders nicht gegen
Ausländer. Die Pegidademonstranten müssten aufpassen, nicht
„instrumentalisiert“ zu werden.[130] In ihrer Neujahrsansprache
(31. Dezember) sagte sie:
„Heute rufen manche montags wieder
‚Wir sind das Volk‘. Aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen
Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion. Deshalb sage ich allen, die auf solche
Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft
sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!“
Diese Aussagen begrüßten die Oppositionsparteien
im Bundestag, auch gegenüber Kritik aus der AfD daran. Die CSU forderte eine
Verschärfung des Asylrechts über einen Gesetzentwurf der Regierung hinaus. Das
kritisierten die Opposition und manche Medien als Widerspruch zur Kritik
Merkels an Pegida.[131]
50 prominente Politiker, Wirtschaftsvertreter und
Künstler, darunter die Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder,
unterzeichneten am 5. Januar 2015 einen Appell gegen Pegida,
Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Außenminister Frank-Walter
Steinmeier erklärte, Pegida schade Deutschland und seinem Bild
im Ausland. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
sagte: „Parolen ersetzen keine Fakten: Deutschland braucht Zuwanderer. Und wir
müssen ein Herz haben für Flüchtlinge in Not.“[132]
Alexander Gauland (AfD) erklärte am 7. Januar
2015: Das Attentat auf Charlie Hebdo habe Pegidas Sorgen über die Gefahr des
Islamismus bestätigt und deren Gegner „Lügen gestraft“. Die Altparteien sollten
ihr bisheriges „Diffamieren“ überdenken. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)
erklärte dagegen, die Unterscheidung des extremistischen und terroristischen
Islamismus vom Islam sei jetzt besonders notwendig.[46] Justizminister Heiko Maas
forderte die Pegidaveranstalter indirekt auf, die Kundgebung am 12. Januar
abzusagen. Die Opfer des Pariser Anschlags hätten es „nicht verdient, von
solchen Hetzern missbraucht zu werden“. Die von Pegida angekündigte Trauer um
Journalisten, die zuvor als „Lügenpresse“ beschimpft worden seien, sei
„heuchlerisch“.[133] Horst Seehofer (CSU) rief die
Veranstalter direkt auf, angesichts der weltweiten Trauer ihre Demonstrationen
„auf absehbare Zeit“ abzusagen.[134]
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef
Horst Seehofer forderte am 11. Januar 2015 einen vorläufigen Stopp der
PEGIDA-Demonstrationen. Die PEGIDA instrumentalisiere die islamistischen
Anschläge von Paris für ihre Zwecke. In der zu dieser Zeit
herrschenden weltweiten Trauer und Bestürzung sollten die Verantwortlichen die
geplanten Demonstrationen absagen.[135]
Medien
Zu Demonstranten
Printmedien behandelten Führungspersonal, Motive
und politische Hintergründe der Pegida-Proteste. Die Zeit fand Widersprüche: „Sie wollen
gehört werden, aber sie sprechen nicht gern, sie sehen sich als schweigende
Mehrheit, aber sie sprechen nicht mit der Mehrheitsgesellschaft. […] Hier
findet die ‚Das muss man doch mal sagen dürfen‘-Fraktion eine virtuelle
Heimstatt.“ Die Übergänge zur AfD seien „fließend“.[136]
Jakob Augstein (Der Spiegel) forderte „Null Toleranz für
Pegida“. Versuche, die Initiative „verstehen“ und „erklären“ zu wollen, seien
falsch. Wer gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ demonstriere, sei „ein
Idiot oder ein Rassist“, da die These einer Islamisierung allen seriösen
Studien widerspreche. Pegida zeige eine „Krise der parlamentarischen
Demokratie“, die der „Sieg des Finanzkapitalismus“ verursacht habe. Statt die
Ursachen der Probleme dort zu suchen, suche Pegida sich noch Schwächere als
Objekte ihres Zorns.[137]
Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung)
fand bei den Demonstranten kaum „diffuse Ängste“, sondern konkrete Ressentiments gegenüber Minderheiten,
Ausländern, Homosexuellen und Frauen. Pegida wolle entgegen Eigenaussagen
weniger Rechte für Minderheiten. Mit „Leuten, die die Religionsfreiheit infrage
stellen und Flüchtlinge schäbig behandeln“, sei kein Dialog sinnvoll.[138]
Matthias Matussek (Die Welt) kommentierte die Verschlossenheit
der Demonstranten gegenüber den Medien: Aus Wutbürgern seien „Stummbürger“ geworden,
die keinen Staat mehr „machen“ wollten. Das habe auch ein FAZ-Aufruf zum
„Verzicht auf Differenzierung“
bei den Pegidaforderungen bewirkt.[139] Für Henryk M. Broder offenbaren Bezeichnungen
der Demonstranten als „Angstbürger, Nationalisten, Rassisten undNazis in
Nadelstreifen“ ein mangelndes Demokratieverständnis. Dass Politik das Volk für
„dumm“ erkläre und ihm „Gehorsam abverlangt, anstatt ihm zu dienen",
interpretiert er als ein zunehmendes Auseinanderwachsen von Volk und Politik.[140]
Anetta Kahane (Frankfurter Rundschau)
sieht Pegida als „Phänomen des Ostens“, als „Symptom“ einer erfolgreichen
Stärkung von Minderheitenrechten seit 1990 und als emotional bestimmten
„Rückzugskampf gegen die offene Gesellschaft“. Diese lasse sich jedoch nicht
mehr schließen.[141]
Ein Reporter, der wegen der seltenen Interviews
Pegidas am 15. Dezember 2014 für RTL verdeckt recherchieren sollte,
äußerte in einem Interview mit „Panorama“ als
angeblicher Teilnehmer „latent ausländerfeindliche Sprüche“ und deckte seine
Identität erst nach der Sendung des Interviews auf.[142] RTL entschuldigte sich für
sein Verhalten, betonte, seine Aussagen seien nicht Sendermeinung, und entließ
den Reporter (20./21. Dezember 2014).[143] Auch andere Medien
kritisierten den Reporter, nicht aber verdeckte Recherchen als solche.[144] Die Veranstalter bezogen sich
mit weiterer Medienschelte („Hetzer, die sich unter uns verborgen haben“) auf
den Vorfall.[145]
Der Deutsche
Journalisten-Verband Sachsen will rechtliche Schritte gegen
Pegida prüfen, weil „Lügenpresse“-Rufe und das Verlesen von Namen einzelner
Journalisten bei der Kundgebung am 22. Dezember 2014 als Bedrohung wirkten:
„Offensichtlich verstehen einige Pegida-Vertreter unter dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nur das Recht auf die
eigene Meinung“.[146]
Spiegelredakteur Hasnain Kazim findet Demonstrationen
gegen Islamisierung in Deutschland, besonders Sachsen, nicht nachvollziehbar,
anders als Demonstrationen gegen Altersarmut und Arbeitslosigkeit oder für mehr Bildung.
Pegida habe offenbar kein Interesse, ein einvernehmliches Miteinander zu
organisieren: „Unter dem Deckmantel der demokratischen Meinungsäußerung werden
Menschen ausgegrenzt und zu Sündenböcken gemacht. Christliche Werte sollen
verteidigt werden, absurderweise unter Aufgabe des Prinzips der Nächstenliebe.“ Seit Thilo Sarrazins Thesen,
die den Protesten den Weg bereitet hätten, und angesichts neuer Anschläge auf
Asylantenheime müsse man befürchten, dass ein größerer Bevölkerungsteil
zeitlich unbegrenzt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus vertrete.[147]
Kultur- und Wissenschaftsjournalist Alexander
Grau kritisierte den Umgang von Verbänden, Medien und Politik mit Pegida. Im
Kern gehe es um verschiedene, gleichwertige Lebensentwürfe zwischen „Vertretern
einer multikulturellen Gesellschaft“ und Vertretern einer „kulturelle[n]
Homogenität und Traditionsverbundenheit in ihrer Heimat“. Noch nie in der
bundesdeutschen Geschichte sei das Volk derart beschimpft worden.[148]
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