Dienstag, 26. August 2014

Ein Virus wie ein Krieg

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Ebola-Epidemie in AfrikaEin Virus wie ein Krieg

 

Soldaten patrouillieren auf der Zufahrtsstraße zum Slum Westpoint in der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Der Stadtteil wurde unter Quarantäne gestellt, damit sich die Seuche nicht weiter ausbreiten kann. 

(Foto:AP)
Verglichen mit Malaria und Aids sind die Opferzahlen derzeit noch gering. Aber Ebola ist heimtückischer und gefährlicher. Das Virus, das einen schnellen, grausamen Tod bringt, hat das Potenzial, ganze Staaten in Afrika ins Wanken zu bringen.
    Ein Kommentar von Ronen Steinke
    Leymah Gbowee, die Friedensnobelpreisträgerin von 2011, neigt nicht zu falscher Aufgeregtheit. Nicht dazu, sich durch kurzfristige Krisen irremachen zu lassen, und auch nicht dazu, die größeren Grundprobleme ihrer Gesellschaft darüber aus dem Blick zu verlieren. Die Frauenrechtlerin aus Westafrika ist berühmt für ihre Hartnäckigkeit, auch für ihre Ironie - vor ein paar Jahren mobilisierte sie die Frauen ihres Landes zum Sex-Streik, um kriegsverliebte Männer zur Räson zu zwingen. "Wenn ich um die Welt reise, zeige ich meinen liberianischen Pass mit Stolz vor", schrieb sie erst kürzlich, da schwang noch Glück mit über das inzwischen Erreichte. "Nach der Wahl von Afrikas erstem weiblichen Staatsoberhaupt, Ellen Johnson Sirleaf, war mein Land für etwas anderes berühmt als für Kindersoldaten und einen Despoten."
    Was muss passiert sein, dass die Frau, die diese Zeilen schreibt, nun nach knapp1500 Opfern einer seltenen Krankheit bereits zu einem derart drastischen Vergleich greift? "Jetzt haben wir es mit einem neuen inneren Feind zu tun", warnt Leymah Gbowee. Sie meint das Ebola-Virus. Ein Krankheitsausbruch von neun Monaten - auf einer Stufe mit einem grausamen Bürgerkrieg, der 14Jahre dauerte.
    Gbowee hat recht - so wie viele Westafrikaner, die in diesen Tagen weltweit dafür werben, die Ebola-Epidemie als das zu sehen, was sie längst ist: eine politische Krise, die ihre Gesellschaften um Jahre zurückwerfen könnte. Man komme da nicht mit Statistik. Natürlich rafft die afrikanische Dauer-EpidemieMalaria viel mehr Menschen dahin, wenn auch nicht auf so spektakulär aggressive Weise, und natürlich verleitet das nicht nur Pharmakonzerne, sondern durchaus auch Hilfswerke zu der Kalkulation, dass ein Dollar in der Malaria-Forschung mehr Menschen rettet als einer in der Nischendisziplin Ebola-Forschung. Noch so ein Vergleich: Allein in den USA starben im vergangenen Jahr 15 000 Menschen mit Aids.

    Die Seuche kann ganze Staaten in Afrika ins Wanken bringen

    Aber wer Malaria hat, der kann gepflegt werden, kann genesen. Wer Aids hat, kann wenigstens noch Abschied nehmen. Wer sich mit Ebola infiziert, der empfängt unter den in Afrika größtenteils gegebenen Bedingungen ein sicheres Todesurteil, und dies sehr schnell und grausam. Ebola ist für die Menschen, die in der Gefahrenzone leben und - wie in Liberia - auch ganz anderes Leid aus eigener Erfahrung kennen, keine Krankheit unter vielen.
    Es ist nicht irrational und nicht hysterisch, wenn Geschäfte geschlossen bleiben, Bauern ihre Felder verlassen und Schulen ihre Schüler nach Hause schicken; aber es ist verheerend. Es zerreißt die ohnehin gebeutelten Gesellschaften in Liberia, Sierra Leone, Guinea und neuerdings auch im Kongo, wenn das Virus dazu führt, dass die Menschen sich verschanzen und einander misstrauen. Wer einen Infizierten nicht bei den Behörden denunziert, dem droht mancherorts Gefängnis; viele tun es trotzdem nicht und verstecken Kranke. Der Staat schickt nur wenige Ärzte, weil er wenige hat; dafür aber umso mehr nervöse Sicherheitsleute.
    Man mag sich gar nicht ausmalen, was die Folge eines Ausbruchs in einer Millionenstadt wie Lagos wäre, der heillos überfüllten schwül-warmen Metropole in Nigeria. Und man kann die drastischen Reaktionen der Politik in Afrika auch nicht bloß als Zeichen der Rückständigkeit abtun. Amerikas Präsident Barack Obama hat gerade vorsorglich per Dekret verfügt, dass Ebola-Verdächtige interniert werden dürfen; in Deutschland bräuchten die Gesundheitsbehörden dazu nicht einmal eine Sondergenehmigung.
    "Ebola ruft bei Liberianern, die den Krieg überlebt haben, alte Traumata wach", formuliert Leymah Gbowee. Das ist die Dimension dieser Krise, die weit oben auf die internationale Agenda gehört.
    Medical staff working with Medecins sans Frontieres prepare to bring food to patients kept in an isolation area at the MSF Ebola treatment centre in Kailahun

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